23.09.2022

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„Irminsul“-Hefte des „Armanen-Ordens“ und Grabstein der Sigrun Schleipfer/ v. Schlichting, mit dem vorderasiatischen Lebensbaum-Dattelpalmen-Idol der beiden Palmblattranken.

Blinder Eifer der Sigrun v. Schlichting

Sigrun von Schlichting (1940-2009) begegnete mir und meinen Freunden Dr. Prof. Kurt Kibbert und Dr. Prof. Werner Koch, in den 80er Jahren, als Leiterin des neuheidnischen „Armanen-Ordens“, während mehrerer Treffen und Kultfeiern auf beispielsweise der Burg Gleiberg bei Gießen. Sigrun war eine geborene Hammerbacher, nannte sich damals dementsprechend Strauß-Hammerbacher, oder nach dem Namen ihres damaligen Ehemannes, Adolf Schleipfer, auch Schleipfer-Friese, weil sie als Kind von einer Hildegard Friese adoptiert worden war, und nach ihrer Scheidung von Adolf, nach dem schlesischen Geschlecht ihrer Mutter, Freifrau von Schlichting oder Freifrau von Schlichting-Bukowiec. So schillernd wie ihre vielen Nachnamen war die ganze, menschlich durchaus ehrenwerte Person. Ihr lasziver „Minnereigen“, eine Art Partnertauschbörse und ihre bei einem Treffen herumgereichten Pornoheftseiten, zur Demonstration von zartrosaroten Schamlippen germanischer Schwedenmädchen, vergraulten meine beiden professoralen Kameraden, so dass ich eine Weile allein bei den „Armanen“ verblieb, ohne je Mitglied zu werden. Bei ihnen hielt ich meinen ersten ODING-Vortrag, der jedoch ohne positiven Eindruck bei Sigrun blieb, weil sie als Leiterin, die nach eigenem Bekunden, sich fast täglich mit Gott Odin persönlich besprach, selbstverständlich alles besser wissen musste.

Sie war zeitlebens unfähig, die fundamentale Bedeutung der 24er Ur-Runenreihe zu begreifen, sie schwadronierte mir gegenüber einmal, was ich mit meinem ODING eigentlich wolle ?, wo es doch über 40 verschiedene Runen-Reihen gäbe. Sie besaß, was Runologie und Skandinavistik anbelangte, keine blasse Ahnung. Sie war unfähig zu lernen; was nicht aus ihrem eigenen Geist hervorgegangen war, lehnte sie ab. Um ein Gegengewicht auf meine authentische ODING-Kalender-Erkenntnis zu setzen, erfand sie nach Gutdünken eine neue Runenreihe und nannte sie „Norning“. Sie hatte sich nach der Unsinnsschule des Ignoranten Guido List ausgerichtet und meinte wohl, so wie ihr Lehrer ein 18er Futhark hatte erfinden können, so könne sie eine weitere Fehlgeburt hervorbringen. Die pure Blödsinnigkeit ihres Unternehmens begriff sie nie.

Ihre Schnapsideen kamen ja direkt vom „Gesprächspartner Odin“. Sigruns tatsächliches Wissen um Brauchtümer, Historien, Runenkunde waren extrem gering, aber sie verkaufte diese schmale Kost im Brustton der Überzeugung, denn sie war von ihren Eingebungen hemmungslos überzeugt, ohne den geringsten Anflug von Selbstkritik, Infragestellung und Bescheidenheit. In diesem Sinne trat sie in die Fußstapfen ihres Vaters Dr. Hans Wilhelm Hammerbacher (1903-1980), der ebenso, losgelöst von allen ernsthaften Forschungen, die albernsten Ergüsse publizieren ließ, beispielweise über die germanische Himmelssäule „Irminsul“, welche er in jedem Laubbaum-Ornament alter Kathedralen glaubte, ausfindig gemacht zu haben. Die grundsätzliche Unterschiedlichkeit zwischen nordischer „Allsäule“ und orientalischem „Lebensbaum“ blieb ihm zeitlebens verschlossen („Irminsul, germanisches Symbol des Baumes des Lebens“). Was Vater und Tochter positiv verband, waren ihre treudeutschen Denkweisen. Höchst anerkennenswert war auch die große Kinderzahl der Sigrun Hammerbacher. Sie hatte 17 Enkelkinder.

Sigrun war Mitglied im harmlosen „Bund Heimattreuer Jugend“, den man heute in hysterischer Strenge, „rechtsextrem“ zu klassifizieren pflegt, schließlich trat sie in den 1957 von Franz Musfeld gegründeten „Goden-Orden“ ein, dessen Logo die als Irminsul umgedeutete orientalische Dattelpalmen-Ikonographie ist. Dort lernte sie Adolf Schleipfer kennen und gründete mit ihm den „Armanen-Orden“. Die beiden orientierten sich an den Fantasieprodukten des einfallsreichen Guido v. List (1848-1919), der, auf Anstoß von einem Teppich-Designer namens Friedrich Fischbach, eine 18 Stäbe umfassende Runen-Reihe freiweg erfand und sie als die echt-alte Runen-Weisheit anpries. Dieser erfundene Blödsinn, zusammen mit dem albernen Irminsul-Dattelpalmen-Gebilde, wurde zur Basis der Arbeit für den Aufbau einer deutschheidnischen Gemeinschaft, deren Anführer, Adolf und Sigrun Schleipfer, sich „Großmeister“ titulieren ließen.

 Als deutsch-heidnische Mutter war Sigrun aller Ehren wert !

 Aus den, mit Vorbehalt zu wertenden, offiziellen Angaben zum organisatorischen Eifer der Sigrun: „Ab den 1980er Jahren brachte der Orden die Neonazi-Rhetorik allmählich zum Schweigen und präsentierte sich in erster Linie als religiöse Gemeinschaft aus dem Asatru-Trend. Sigrun Schleipfer begann daraufhin, sich keltischer Mythologie und feministischer Spiritualität zu bedienen und die Organisatorin aktiv in esoterischen Umfeldern zu promoten. Dadurch gelang es ihr, eine große Gruppe von Anhängern anzuziehen, die nicht immer rechtsextreme Ansichten vertraten, sondern manchmal einfach nach einer alternativen Spiritualität suchten. Damals zählte der Orden etwa 50 strenge Ordensmitglieder, dreimal so viele Menschen gehörten zum Kreis der Sympathisanten und Unterstützer. Um die indigenen Gemeinschaften zu festigen, wurde die von Sigrun 1989 gegründet Arbeitsgemeinschaft Naturreligiöser Stammesverbände Europas (ANSE; Community of Tribal Religious Unions of Europe; offizielle Registrierung 1992) gegründet. Als Teil der „Community“ arbeitete Armanen-Orden u. a. mit Gruppierungen wie der Deutschgläubigen Gemeinschaft oder der Artgemeinschaft zusammen. Sein Einfluss reichte auch über Deutschland hinaus. Allmählich wurden die völkischen Wurzeln im Umfeld der deutschen Neuheiden zunehmend als Belastung behandelt. Der Armanen-Orden beschränkte daraufhin seine Aktivitäten und Sigrun knüpfte Kontakte zu heidnischen Organisationen aus Osteuropa, darunter mit der litauischen Gruppe Romuva. Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges wurde auf dieser Grundlage der World Congress of Ethnic Religions (WCER) ins Leben gerufen.… Der Orden nähert sich den Postulaten der sogenannten Neuen Rechten, kleidete biologische und rassistische Denkmuster in zeitgenössische ökologische Terminologie und bezog sich dabei auf Begriffe wie „Ethnopluralismus“ und „Europäischer Nationalismus“.

1977 gründete Sigrun Schleipfer die Gemeinschaft zur Erhaltung der Burgen mit dem Ziel, die Burg für die Zwecke des Ordens zu erwerben und zu restaurieren. 1994 gelang es ihr, ein Schloss in Jedrzychowice zu kaufen, das sie Rothenhorn (Czerwony Horn) nannte. Sie zog am 5. Februar 1995 ein und begann mit der Renovierung in Eigenregie, ohne finanzielle Unterstützung vom Staat. Sie wurde damals zweimal ausgeraubt. Ab 2000 half ihr Beata Kazimierczak aus Jędrzychowice. Wie sie behauptete, hatte sie, bevor sie mit der Restaurierung des Schlosses begann, bereits sechs Häuser renoviert: drei in Afrika, zwei in Bayern und eines in Polen. … Im Juli 2007 beherbergte es über 60 Studenten aus Polen, Deutschland und der Ukraine, die im Rahmen des Projekts „Together-Gemeinsam-Razom“ etwas über die Geschichte und Identität ihrer Nationen lernten. Die in Jędrzychowice lebende Sigrun von Schlichting hörte nicht auf, sich in neuheidnischen Kreisen zu betätigen - 2008 tagte der Weltkongress der ethnischen Religionen auf Schloss Rothenhorn. Von Schlichting war auch Mitglied des Sozial- und Kulturvereins der deutschen Minderheit in Zielona Gora, in dessen Vorstand sie 2009 gewählt wurde. Sie starb am 11. Juli 2009 an den Folgen einer unheilbaren Krankheit in einem Krankenhaus in Wschowa. Sie ist auf dem evangelischen Friedhof in Szlichtyngowa begraben. … Derzeit werden im Schloss Hotel- und Gastronomiebetriebe angeboten. Besitzer ist Martin Schmuck aus Münster, der sich zu Lebzeiten Sigrun von Schlichtings an den Renovierungsarbeiten des Schlosses beteiligte und mit seiner Wirtin Beata Kazimierczak eine Familie gründete.“