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DER KULTKALENDER DER ODINGI
 
 
Die uransässigen indogermanischen Altkulturen Europas mussten wegen der extremen klimatischen jahreszeitlichen Umschwünge sehr früh kalendarische Überlegungen angestrengt haben. Forscher der Johannes Gutenberg-Universitäten Mainz und Cambridge, wie Prof. Dr. Joachim Burger vom Institut für Anthropologie kamen i. J. 2005 zu dem Ergebnis, dass die heutigen Europäer mit den autochthonen Sammler- und Jägergruppen genetisch übereinstimmen die vor über 40.000 Jahren in unserem Kontinent lebten. Demzufolge fand weder eine bedeutsame neolithische Einwanderung von Ackerbauern aus dem Südosten statt, noch eine genetisch beweisbare indogerm. Einwanderung. „In der weltweiten Datenbank mit 35.000 modernen DNA-Linien weisen weniger als 50 Europäer heutzutage diesen alten Bauern-DNA-Typ auf“, erläutert der Genetiker Dr. Peter Forster von der University of Cambridge. Alle die kultisch-religiösen und symbolgeschichtlichen Erscheinungen, die es zu besprechen gilt, sind also ureuropäisches und indogermanisches Ahnenerbe. Dagegen steht neuerdings eine kaum noch als wissenschaftlich-sachlich zu bezeichnende Forschungsrichtung, welche versucht, Nachweisbares zu verdrängen, um sich tagespolitischen Zeitgeistströmungen unterordnend, im antinationalen Sinne selbstentlarvend zu äußern, wie es beispielsweise Kerstin P Hofmann tut: „Ethnische Interpretationen werden derzeit allgemein vermieden und die frühere Gleichsetzung des Nordischen Kreises mit den Germanen gilt als unhaltbar. Heute liegt der Schwerpunkt der Untersuchungen, vielleicht auch im Zuge des europäischen Gedankens und der Globalisierung, auf überregionalen Kommunikationsnetzwerken und der Auswirkung von räumlicher Mobilität auf kulturelle Identität.“ („Der Identität ihr Grab ? Zur archäologischen Identitätsforschung anhand bronzezeitlicher Bestattungen des Elbe-Weser-Dreiecks“, S. 13, in „Universitätsforsch. z. prähist. Archäol.“, 2012)
 
Der bislang älteste „Kalenderfund“ - mindestens 35.000 Jahre alt - stammt aus einer schwäbischen Höhle, dem Geisenklösterle bei Blaubeuren. Es handelt sich um eine kleine Mammutelfenbeinplatte, halb so groß wie eine Streichholzschachtel, deren Vorderseite den Adoranten, eine anbetende Menschengestalt - eine der ältesten gefundenen - mit hoch erhobenen Armen zeigt. Das Flachrelief des „Anbetenden“ trägt an allen 4 Außenkanten Kerben: links und rechts sind es je 13, oben 7 und unten 6. Auf der Rückseite befinden sich 4 Reihen mit eingravierten Punkten, wobei die beiden außen liegenden Reihen je 13 und die dazwischen liegenden beiden Reihen 10 und 12 Markierungen aufweisen, denen vermutlich astronomische Beobachtungen zugrunde liegen. Die Hervorhebung der 13 wäre durch Mond- und Frauen-Zyklen erklärbar. Eine Mondphase, zwischen zwei aufeinander folgenden Neumonden, dauert 29 Tage, 12 Stunden 44 Minuten. Die siderische Mondphase, nach der der Mond für den irdischen Beschauer wieder die gleiche Position zu einem Fixstern am Himmel einnimmt, hat die Dauer von etwa 27,3 Tagen. Diese Mondmonatslängen entsprechen in etwa dem Zyklus einer Frau, welcher zwischen 23 und 35 Tagen dauen kann, aber durchschnittlich um 28 Tage zirkuliert. So ergäbe sich die Möglichkeit einer Jahresberechnung von 13 x 28 Tagen  = 364 Tage des Sonnenjahres. In einer Höhle nahe dem Schloss von Laussel bzw. der Gemeinde Marquay / Dordogne (Frankreich), wurde vor ca. 20.000 Jahren ein Sakralraum zur Anbetung der Großen Muttergöttin (sog. „Venus von Laussel“) eingerichtet und ihre Gestalt in Form der 50 cm hohen Frauenfigur aus dem Kalkstein als Halbrelief herausgearbeitet. Das in ihrer rechten Hand gehaltene Wisenthorn zeigt 13 Einkerbungen, welche ebenfalls die ca. 13 Mondmonate des Sonnenjahres symbolisieren sollen. Die bretonische (Frankreich) Megalith-Anlange von Kerlescan, aus ca. 4.000-3.000 v.0, besitzt 13 fast parallel verlaufende Steinreihen von 880 Meter Länge. Sie diente unverkennbar kalendarischen Zwecken, was aus ihrer Ausrichtung nach den Auf- und Untergängen zu den Sommer- und Winter-Sonnenwenden ablesbar ist. Auch der nüchterne Prof. Hermann Müller-Karpe, einer der vorzüglichsten Frühgeschichtler Deutschlands, hielt den „Adoranten“-Fund für einen „Kalender für religiöse Feste, um Gott zu danken“. („Erwachen in der Steinzeit: Wie wir Menschen wurden“, 2010). Die Menschengestalt, so wird vermutet, könnte auch das markante Sternbild des Orion meinen, wobei sich die etwas abweichenden Proportionen mit der Veränderung des Sternbilds in den letzten 35.000 Jahren gut erklären ließen. Die prachtvollen 13 teilvergoldeten silbernen Bildplatten des Kultkessels von Gundestrup - den Erul kennengelernt haben muss - stellen möglicherweise die 13 mythologischen Jahresphasen dar. Er ist von thrakischen Schmieden im Auftrag keltischer Skordisker oder germanischer Bastarnen hergestellt worden, gelangte in Eruls Heimat, wo er für Stieropferrituale benutzt und schließlich im Rævemose (Fuchsmoor) im jüdländischen Himmerland als Opferspende abgelegt wurde. Höchst erstaunlich und erhebend, hinsichtlich der Festigkeit eines Herkommens ist, dass die Kalender- oder Jahreszahl 13 über Jahrzehntausende im Norden Gültigkeit behielt, bis zu den ODING'schen Runenzahlen, wo die Jahr-Rune die Nr. 13 trägt.
 
Mehrere jungsteinzeitliche, ca. 7.000 Jahre alte Zeitmess-Kulttempel in ehemaligen Siedlungszentren des Niederbayerischen Landkreises Dingolfing-Landau, zwischen Isar und Donau, liegen dicht beieinander, die Wissenschaft nennt sie nüchtern „Kreisgrabenanlagen“. Palisadenringe und bis zu 5 m tiefen Gräben umschlossen Areale von bis zu 100 m Durchmesser. Der Kalendertempel beim Weiler „Meisternthal“ ist als exakte Ellipse auf Nord-Süd-Achse konstruiert. Peilt man vom Mittelpunkt der Anlagen bzw. von den beiden Brennpunkten der Ellipse durch die Tormittelpunkte, sieht man jeweils eine Stelle, an der zu einem wichtigen Datum im Jahr die Sonne aufgeht. Die steinzeitlichen Konstrukteure hielten so ganz verschiedene Daten fest: Winter- und Sommersonnenwende, Tag- und Nachtgleiche, und die Tage die zwischen Tag- und Nachtgleiche und Wintersonnenwende liegen. Weihnachten, Ostern, Lichtmess und Allerheiligen sind nur scheinbar christliche Feste, die diesen schon steinzeitlichen Festtagen entsprechen. Der dortige Flurnamen „Himmelreich“ lässt uns ebenso aufhorchen, wie der „Gottesacker“ nahe Naumburg, im Sachsen-Anhaltischen Goseck, wo vor ca. 7.000 Jahren ebenso eine Kultstätte der Himmelsbeobachtung errichtet wurde, mit deren Hilfe u.a. exakt die Wintersonnenwenden zu erkennen waren, die man festlich mit rituellen Stieropfern beging, was die Gehörn-Funde an den Toren ausweisen. Der älteste urkundliche Namen ist „gozacha“. Die beiden Silben „goz“ und „acha“ wären zu deuten als „Gottesacker / -feld“, wobei „goz“, bei Berücksichtigung der Austauschbarkeit von „t“ und „z“, ist als ahd. Begriff für „got", „Gott“ zu deuten ist, während „acha“ aus dem ad. „acar, achar, acher“, hd. „Acker, Feld“, bei mundartlich abgeschliffenem „r“, erklärbar würde. Goseck, also der Gottesacker, das Feld welches seit Urtagen als heilige Stätte in Erinnerung blieb. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob u. Wilhelm Grimm steht, das Wort Gottesacker ist seit 1369 in Wien nachweisbar als goczachker. Nur 23 km von dieser „Kreisgrabenanlage“ entfernt, liegt der „Mittelberg“ von Wangen-Nebra an der Unstrut, wo die „Himmelsscheibe“ gefunden wurde. Sie stammt aus der Bronzezeit  vor um 3.600 Jahren. Der Mittelberg selbst war ein Kalenderberg, denn von ihm aus wurden die wichtigen Jahres-Festpunkte angepeilt; die Sonne geht zum Beginn des Sommerhalbjahres hinter dem Kyffhäuser und zur Sommersonnenwende hinter dem Brocken unter. Schon in der Jungsteinzeit ist er als Observatorium genutzt worden. Wurde die Himmelsscheibe von einem Parawari (Heiltumswart) auf dem Mittelberg so über den Kopf gehalten, dass die beiden seitlichen Randbögen exakt in Ost-West-Richtung zu stehen kommen, ist die Scheibe als Kalender zu benutzten, z.B. können mit diesem Zeitbestimmungsapparat die Sonnenwenden und -Gleichen festgestellt werden (Original im Mus. Halle). Auch die Zeichen auf der tönernen neolithischen Handtrommel aus einem Grab bei Hornsömmern       (Krs. Langensalza) sind als Kalendermarken höchst wahrscheinlich gemacht worden. So ergibt beispielsweise die zweite Reihe der 4 Gruppierungen von horizontalen Strichelungen eine Gesamtanzahl von 365. (Freerk, Haye Hamkens, „Das nordische Jahr und seine Sinnbilder“, 1936, S. 14 ff) Als jüngstes Erzeugnis in dieser fast im mythischen Nebel verborgenen altehrwürdigen Kalendertradition des Nordens wäre die vom Meister Erul vor ca. 2.000 Jahren konzipierte ODING-Sinnzeichenreihe der 24 runischen Stäbe zu nennen, die - zum Kreis zusammen geschlungen - nichts anderes darstellt als den gemeingermanischen luni-solaren Sakralkalender der 24 mondgebundenen Festpositionen. Keine zweite Geisteskultur in der Völkerfamilie besitzt ein derart ausgeklügeltes Buchstabensystem, das sich im Grundprinzip - ebenso wie die Mathematizität der nordgermanischen Goldhörner-Sprache - nicht an das tumbe, profane, breite Publikum wendet, vielmehr an den gewiss nicht allzu großen Kreis der Eingeweihen, der Adepten einer intelligenten, erschütternd modern anmutenden irrationalen Religiosität. (G. Hess, „ODING-Wizzod - Gottesgesetz und Botschaft der Runen“, 1993) Auch die Erfindung der Taschenuhr durch den Nürnberger Schlossermeister Peter Henlein, Mitte des 16. Jahrhunderts und die folgenden „Nürnberger Eier“ (Aeurlein / Ührlein), sind als ein zugehöriger Etappenstein in dieser Geisteskultur zu werten. Die wunderbaren Astronomischen Uhren, welche Sonne und Mond im Tyrkreis (Ekliptik), die Mondphasen oder Stellungen der großen Planeten anzeigen, befinden sich an mitteleuropäischen kommunalen und sakralen Prunkbauten. Oft sind es mechanisch-mathematisch hoch anspruchsvolle Kunstwerke von monumentaler Größe. Die älteste noch erhaltene wurde i.J. 1379/80 für die Rostocker St. Marienkirche gebaut. Jene vom Straßburger Münster gehört mit ihrer Höhe von 18 m zu den größten und bedeutendsten astronomischen Uhren der Welt. Die ältesten Astrolabiums-Uhren sind die Berner „Zytglogge-“ [Zeitglocken] Uhr vom Jahre 1405 und die vom Prager Rathaus, welche i.J. 1410 gebaut wurde, also 62 Jahre nach der dortigen Gründung der ersten deutschen Universität durch Karl IV..
 
            Sonnenwagen von Trundholm
 
Abb. 18
 
Beim Pflügen im Trundholmer Moor, nahe Nyköping auf Seeland / Dänemark wurden die Bestandteile des bereits erwähnten sechsrädrigen bronzenen Kultwägelchens ge­funden, dessen Gesamtlänge nach geglückter Wiederherstellung 60 cm beträgt (Abb. 18). Zu ihm gehört eine einseitig mit Goldblech belegte Diskusscheibe. Sie trägt auf beiden Seiten eingravierte Spiralen und kon­zentrische Kreise. Das Zugpferdchen mit ähnlichen Verzierungen auf Kopf, Hals und Brust war mittels eines Bändchens durch die Öse an der Sonnenscheibe so verbunden, dass der Ein­druck er­weckt wurde, als zöge das Tier die goldblinkende Sonne. Aus etwa glei­cher Zeit blie­ben Felsritzungen (z.B. Balken / Tanums­hede / Bohuslän / Schweden) und Zierbilder auf Rasiermessern (z.B. Viborg / Jütland) erhalten, welche ebensolche Sonnenpferdchen darstellen. Eine Messergravur (Ketting / Laaland / Dänemark) stellt das Rösslein mit dem Kopf nach unten dar, wie es die Sonne über das Weltenschiff zieht. Nach nordischem Mythos bewegt sich die Sonne bei Tage von Ost nach West (also für den Beobachter von links nach rechts) vom Ross gezogen - mit oder ohne Wagen, bei Nacht zurück auf einem von Schwänen gezogenen Schiff von West nach Ost. Auf­grund stilistischer Kriterien ordnet man das Trundhol­mer Kunst­werk der älteren Bronzezeit (1.700-1.000) zu; es wird auf 1.400 v.0 datiert.
               
 
Es darf davon ausgegangen werden, dass diese nordische Kultur von einer Zentralgewalt ge­lenkt wurde, denn politische Kleinstaaterei wäre unfähig gewesen, die archäologisch erkenn­bare, gleichar­tige Ausprägung über viele Tausende Quadratkilometer hervorzurufen (Prof. Müller-Karpe wäh­rend Tagung zum Chronolog. Projekt, Bonn, 21/22.2.1981). Rohmaterialien konnten von weit her erhandelt werden, doch gewiss waren auch schon eigene Kupfer- und Zinnvor­kom­men erschlossen. Zinn holte man aus England. Kupfererze baute man z.B. auf Helgoland und Hellerö / Schweden ab. Bei Hallunda, südwestlich von Stockholm, fand sich eine rechtec­kige Werkhalle für Bronzever­arbeitung von 20 m Länge mit Steinfundament. In ihrem Inne­ren standen nicht weniger als 12 Erzöfen aus gebranntem Ton. Der Bronzeguss verlangte grö­ßere Spezialwerkstät­ten und Fachleute, die sich ausschließlich mit diesem Hand­werk beschäf­tigten, die ihre eige­nen Beob­achtungen und die überlieferten Erfahrungen von Generation zu Gene­ration weiter­gaben und so einen neuen Stand zu hohem Ansehen brach­ten, den metall­bear­beitenden Künstler, den Schmied. Betrachtet man die Besonderheit einer solch frühen Schöpfung wie den Sonnenwagen von Trundholm aus mythisch-sakraler wie auch aus fertigungstechnischer Sicht, dann ist daraus die Berechtigung abzuleiten, jedes Detail auf eine möglicherweise vorhandene sym­bolische Aussage hin zu überprüfen. Ornamentale Bildele­mente sind als Zähleinheiten zu betrachten und aus­zuwerten. Die Bestandsaufnahme der zählbaren Einheiten auf dem Trund­hol­mer Kunstwerk führt zu Ergebnissen, welche mit dessen kultspezifischem Charak­ter übereinstimmen. Der Ornamentalschmuck beider Diskusseiten besteht grobvisuell aus jeweils 6 konzentrischen Dekorringen die sich um den jeweiligen Mittelpunkt legen. 3 dieser Dekorringe auf beiden Diskusseiten sind gebildet durch Aneinanderreihungen von Medaillons, geformt aus zentrischen Liniengravuren, die ich als „Kreischen“ bezeichne. Auch beide Mittelpunkte werden jeweils durch ein derartiges Kreischen gebildet. Diese „Kreischen“ sind als Gestirnsdarstellungen bzw. als Sönnchen und/oder Möndchen zu deuten.
 
Die Kreischen der goldbelegten Diskusscheibenseite erweisen folgendes Zahlenge­füge: Der innere Dekorring wird aus 8 Kreischen gebildet, der mittlere aus 8 Pärchen mit insgesamt 16 (2 x 8) Kreischen, der äußere aus 27 Kreischen. Insgesamt handelt es sich also um 52 Kreischen. 3 der Dekorringe bestehen aus Striche­lungen, 3 aus Kreischen, wir addieren den Mittelpunktkreis dazu und gelangen zu 7 Zähleinheiten. Multiplizieren wir 7 mit der Gesamtsumme von 52 Kreischen, resultiert daraus die altgebräuch­liche Annäherungszahl der Tage des Jahres: 364. Die Gesamtzahl der Kreischen setzt sich aus vier Zähleinheiten (27 + 16 + 8 + 1) zusammen. Die 4 als Zahl der Lichtgestalten des Mondes, wie auch der jährlichen Haupt-Sonnenstände (Äquinoktien /Solstitien), vertritt Mond- und Jah­res­symbolismus. Das Jahr und die 13 galten als Sinnbilder der Zeit schlechthin. 13 war eine der signifikanten Zahlen des eranischen Zeitgottes Zervan. Da im luni-solaren Kalendersystem das notwenige Schaltjahr des 13. Regulationsmonates bedarf, wurde die 13 zum Zeit- und zum Ordnungssymbol. Bei Aufsummierung der 13 entsteht 91, welche mit 4 multipliziert auch zur Sonnenjahres-Tagezahl 364 hin­führt. Die Lichtkörper-Kreischen der goldbelegten Seite des Diskus weisen unter­schiedli­che Größen auf. Sie sind in 27 + 1 = 28 größere sowie 16 + 8 = 26 kleinere Kreischen zu unterscheiden. Die Zähleinheiten 27 und 28 deuten auf den Zeitwei­ser Mond hin. Benötigt er doch für seinen Erdumlauf einen „siderischen Monat“ von 27,322 Tagen. Aber der „synodische Monat“, also die Zeit zwischen zwei Neumonden, beträgt im Mittel 29,531 Tage. In 28 sind die 4 Phasen des Nachtge­stirns vollkommen enthalten (4 x 7 = 28), welches nach Vorstellung der Alten in seinem Rundlauf auch 28 Stern­engruppen durchwandern muss. 13 Mondmonate von 28 Tagen ergeben das Jahr von 364 Tagen. Da jeder Monat 4 Phasen hat, ergibt sich eine zeitliche Feinrastereinteilung von 52 Mondzeitsegmenten („Wochen“) pro Jahr, mit der ersichtlich die nordische Bronzezeit ihre Kalenderordnung gestaltet hat. Auch der Kalender der Essener-Kultgruppe bei Chirbet Qumran, vom Beginn heutiger Zeitrechnung, umfasste 364 Tage, eingeteilt in 4 Quartale je 91 Tagen. Von den 12 Monaten des Jahres hatten die 4 letzen Monate der Quartale jeweils 31 Tage, die restlichen 8 Monate 30 Tage. Jedes Jahr hatte 52 Wochen, ein neues Jahr begann immer mit einem Mittwoch. Das Jahr, die „Wanderung Gottes durch die Zeit“, ist zu verstehen als ein kosmisches Produkt aus Sonne und Mond. Bei des Sonnenjahres Wochenzahl von 52 (Quer­summe 7), à 7 Tagen, ist die Tagesanzahl also 364 und deren Quersumme 13, dem Zahlen­symbol des Jahreszeichens () im gemein­germanischen Kalendarium des ODING-FUÞARK-Systems.
 
Die Rückseite des Sonnendiskus besaß, nach Auffassung der Fachgelehrten, zu keiner Zeit einen Goldblechüberzug. Seine ornamentale Gestaltung gleicht mit wenigen Abweichungen der Vorderseite. Auf dem äußeren Dekorring reihen sich nur 25 Kreischen. So ergeben beide Dekorringe, der vordere und rückwärtige, schon jene Jahresmondphasenanzahl 52. Im mittleren Dekorring stehen hier 20 Kreischen. Addiert man die 16 Kreischen der Frontseite hinzu, ergibt das 36 - eine Summe, die neben ihrer arithmetischen Bedeutung (sie ist Produkt der ersten Quadratzahlen: 4 und 9) sich auch wieder als Jahres- bzw. Kreisbe­rechnungsziffer präsentiert. Tatsächlich stellte man sich den Kreisumfang (Himmelskreis) auf­grund sehr alten Herkommens in 360 gleiche Teile oder Bogengrade zerlegt vor. Die beiden Diskuszentren mit jeweils 9 Kreischen (1 Zentralkreischen, um den sich 8 Kreischen gleichabständig herumgruppieren) sind identisch; sie ergeben zusammen 18 mit Quer­summe 9. Die Addition sämtlicher vorhandener Kreischen erbringt 106. Dazugerechnet die beiden gleich­gestal­tigen Augen-Kreischen des Sonnenpferdchens, produzieren die Endsumme 108 (12 x 9) mit Quersumme 9, jener Zahl der gemein­ger­m. sowilo- / Sonnen­-Rune () im ODiNG-FUÞARK-Buchstabensystem. Das Dazuzählen der Pferdeaugen entspricht keiner Willkür, sie sind nicht als Tieraugen gestaltet, vielmehr eindeutig als Sonnen-Kreischen. Die Gesamtzahl aller Kreischen der goldbelegten Seite beträgt 52, die der Rückseite 54. Gleiche Zahlen er­hält man bei an­derer Addition. Die kleinen Kreischen von Vor- und Rückseite zusammenge­nommen ergeben 52, von großen Kreischen sind 54 vorhanden. Beide Zahlenwerte wurden demnach planvoll hineingearbeitet. Zusammengerechnet mit den Pferdeaugen-Kreischen erscheint die Zahl 108, deren hohe Bedeutung auch in asiatischen Religionskulturen erwähnt wurde.
 
Sonnenjahr und Mondjahr
 
Es führt darüber hinaus ein Rechenweg der Trundhol­mer Zahlenangaben zum Mondjahr von 354 sowie zum alther­kömmlichen Sonnen-Rundjahr von 360 Tagen. Das altindische und babylo­nische Jahr bestand ursprünglich aus 360 Tagen - und das Hinzufügen von 5 Festtagen zu den 12 ägyptischen Monaten legt nahe, dass das ägypti­sche Jahr einst auch 360 Tage umfasste. Auf diese Weise war die Kreisbahn der Sonne im Ekliptikgürtel auf der Himmelskugel in 360 Teile zerlegt, von denen jeder einem Tag und einer Nacht entsprachen. Gehen wir davon aus, dass die beidseitigen Kreischen in den Mittelpunkten der Diskusseiten die Posi­tion 1 vertreten, dann stehen die beiden kleinsten Dekorringe mit 8 Kreisen für Position 2, die beiden mittleren Dekorringe mit 16 bzw. 20 Kreisen lägen auf 3. Stelle und die beiden größten Dekorringe mit 27 bzw. 25 Kreisen stehen auf Platz 4. Multiplizieren wir nacheinander die Anzahl der Kreischen aller 3 Dekorringe mit dem Wert ihrer Ringpositionen, dann ergibt sich folgende Rech­nung:
 
Zwei Zentrums-Kreischen x 1 = 2; der beiden ersten Ringe 16 Kreischen x 2 = 32, der bei­den zweiten Ringe 36 Kreischen x 3 = 108; der beiden dritten Ringe 52 Kreischen x 4 = 208. Die Addition der vier Ergebnisse erbringt 350. Die hinzuzurechnenden beiden Pferdeaugen er­höhen auf 352. Nun übersah die ausgeklügelte kultische Mathematizität der alten Weisen keine De­tails, die uns Heutigen, bei dem soviel größeren Spielraum kommunikativer Möglich­keiten, leicht entgehen würden. Dem Trundholmer Kultobjekt dürfen wir eine kleinlich-ge­naue ma­thematische Symbolsprache unterstellen. Der gesamte zweiseitige Sonnen­diskus gleicht jedem einzelnen der hineingepunzten Kreischen-Gebilde. Mit diesen beiden Großkreischen erhalten wir die Tagesanzahl von 354 eines Mondjahres, bestehend aus 12 syn­odischen Mondläufen (von Neumond zu Neumond) à 29,5 Tagen.
 
Zusätzlich wurde die unvergoldete Diskusseite die exakte Halbsumme der Mond­jahreszahl hineingearbeitet: Zentrumskreischen x 1 = 1, plus kleine Kreischen 8 x 2 = 16, plus Mittelring 20 x 3 = 60, plus großer Ring 25 x 4 = 100, ergibt 177 (177 x 2 = 354). Da der Trundhomer Meisterschmied seine Schöpfung zweifellos als eine Ganzheit ansah die das Mond-Sonnenjahr symboli­sie­ren sollte, wäre sein Gedankengang in etwa nachvollziehbar: Die unvergoldete „sonnenlicht­lose“ Diskusseite ist unverkennbar beauftragt die Nachtzeit-Mondzeit zu vertreten - aber nur der Mondjahres-Halbwert von 177 Ta­gen darf erscheinen, weil auch die Diskus-Goldseite bei der vollen Zählung des Gesamtmondjahres beteiligt ist.
 
Will man sämtliche Kreischen-, Scheiben- und Radgebilde des Gesamtkunstwerkes erfassen, so muss man zur Summe 354 auch die 6 Räder des Wagens addieren und man erhält 360, die Tages­zahl des alten Sonnen-Rundjahres, gleichzeitig die Kreiszahl von 360°. Mit nachvollziehbarer Logik sind es gerade Radkreuze welche zur Tageszahl des Sonnenjahres ergänzen, ist doch das vier­spei­chige Rad als bronzezeitliches Sonnensymbol aus einer Menge von Bildbelegen der Klein­kunstwerke und der bronzezeitlichen skandinavischen Felsbilder bestens bezeugt. Der aufschlussreiche, fein gearbeitete Sonnenwagen scheint also nicht nur befähigt, ein Zeugnis abzulegen von hochentwickelter Ästhetik nordischen Kunstschaffens, sondern die Rechnungs­grundlage der Organisation eines frühgermanischen Mond-Sonnen-Jahres (lunisolares Schema) zu bezeugen.