11.11.2021
 
Wäre der Mescalero-Apache Winnetou kein Fantasieprodukt des sächsischen, deutschen Romanautors Karl May (1842-1912), hätte er bestenfalls so aussehen können, wie es o.a. Foto zeigt, das von dem professionellen Fotografen und Verleger Frank Jay Haynes (1853-1921) herrührt. Indianer sind ursprünglich und überwiegend mongolider Abstammung, mit entsprechenden schmalen, geschlitzten bis mandelförmigen, dunklen Augen. Der im nordfranzösischen Brest geborene Bretone Pierre Louis Baron de Bris, mit seinen ursprünglich dunkelblonden, nur tiefschwarz gefärben Haaren und offenen, blauen Augen, welcher die Rolle des Winnetous in den Karl-May-Filmen, unter dem deutschen Spielleiter Harald Reindl mimte, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit einem echten nordamerikanischen Indianer.
 
WINNETOU WAR SO NICHT !
 
Winntetou war eines Sachsens Kind,
der schilderte ihn wie Sachsen sind,
das heißt, wie die edelsten ihrer Art,
seit Urzeit, bis heute, zur Gegenwart.
 
Zu edelsinnig erfand ihn Karl May,
mit seiner altdeutschen Schreiberei.
Übergerecht, ohne Selbstanspruch,
das gibts allein im deutschen Buch.
 
Es kommt in den alten Legenden vor,
im „Parzival“, dem närrischen Tor.
Idealchristliches mengte May hinein,
derart konnte nie ein Naturkind sein.
  
 Kein echter Indianer hat so gedacht,
Stammesbrüder hätten ihn ausgelacht.
Im Wildwesten hieß es: „Du oder ich“,
da galten der Colt und Stoß und Stich.
 
Wer seinen Feinden zu früh verzieh,
den bald ein Colt ins Jenseits spieh.
Es ging allein, um den härteren Hieb,
weil, der ihn führte, am Leben blieb.
 
So denkt alle Welt und anders nicht,
typisch treudeutsch ist Selbstverzicht.
Der selbstlose Helfer der redlich denkt,
den hält die Welt nur für beschränkt.
 
Weil Winnetou so deutsch gestrickt,
hat er die deutschen Herzen beglückt
und ihre Indianer-Liebe bestärkt;
doch haben sie selbst das nie bemerkt.
 
Sie himmeln die eig‘nen Tugenden an,
im unverdächtigen „Roten Mann“.
Derart kompliziert sind Deutsche allein,
denn selbst sich loben gilt als gemein.
 
Der Mescalero-Apache Winnetou machte von den ersten Auftritten bis zum Spätwerk von Autor Karl May einen großen Wandel durch. Während er anfangs noch ein älterer Wilder war, der seine Feinde skalpierte und auch mal einen Zigarrenstummel aß, wurde er immer mehr idealisiert, bis er schließlich zur Symbolfigur des „edlen Wilden“ wurde, der allein schon moralisch allen Weißen überlegen ist. Winnetou ist von Grund auf tapfer, ehrlich und gerecht, im Vergleich zu dem Deutschen Old Shatterhand recht schweigsam. Den weitgehenden Verzicht sowohl auf Rache als auch auf das Töten von Feinden hat er jedoch erst von dem deutschen Lehrer Klekih-petra und von Old Shatterhand übernommen. Allgemein neigt Winnetou zu Kollektivbeschuldigungen und zu Vorurteilen (Überfall auf das Vermessungslager einschließlich Zweikampf mit Old Shatterhand; „Falsche Männer des Südens“ sind Mexikaner). Winnetou ist ein perfekter Reiter und Schütze. Außerdem ist er auch in allen anderen indianischen Waffen und Kampftechniken bestens geübt. Er beherrscht neben Apache auch mehrere andere Indianersprachen sowie Englisch und bekräftigt seine kurzen Sätze des Öfteren mit einem kurzen „Howgh“. Er besuchte Old Shatterhand in Dresden und begleitete diesen nach Nordafrika („Satan und Ischariot“-Trilogie). Getötet wurde Winnetou im Kampf durch feindliche Indianer am Hancockberg. Sowohl im (ursprünglichen) Vorwort von „Winnetou I.“ als auch in Gesprächen (z.B. mit Maria Hannes) erklärte May jedoch einen Weißen zu Winnetous Mördern. Das Wort „Weißen“ wurde in später gedruckten Vorworten durch das Wort „Feindes“ ersetzt. Diese Feinde waren die Ogellallah-Siox“, also Rote. Schwer verwundet bittet er die geretteten Siedler, ihm das „Ave Maria“ zu singen und stirbt anschließend in „Old Shatterhands“ Armen. Seine letzten Worte sind: Schar-Iih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl !“ Von derart brillanten Missionserfolgen unter den „Rothäuten“ waren die deutschen Menschen der Wilhelminischen Kaiserzeit hellauf begeistert. Die oft ermüdenden, überlangen christlichen Überzeugungspredigten, oft mit argumentierender Rede und Gegenrede, (z.B. „Old Surehand“ II.), die May in seine Buchtexte einflicht, sind in ihrer sprachlich gekonnten, aber substanziell platten, nativen Kernaussagen, für Fernstehende kaum erträglich. May trat geradezu als Evangelisierungsapostel für Deutschland auf, was ihm unweigerlich die allerhöchste Gnadenhuld erwerben musste. Wieviel wirkliche Überzeugung oder nur Werbekalkül dabei war, entzieht sich meiner Beurteilungsfähigkeit. Am 02.11.1894 schrieb Karl May an seinen jugendlichen Winnetou-Fex Carl Jung: „Winnetou, der Häuptling der Apachen, war 32 Jahre alt, als er starb. Am 21.03.1899 schrieb May an Sophie Stieber: „Winnetou war geboren 1840 und wurde erschossen am 2./9.1874. Er war noch herrlicher, als ich ihn beschreiben kann!“ May hatte sich sein eigenes homoerotisches Ideal und Idol zusammengeschrieben. Während eines späteren Aufenthalts in Wien 1898 war er am Faschingsmontag bei der Leo-Gesellschaft eingeladen. Richard von Kralik berichtete später, dass May einen „Vortrag über Winnetou hielt, um dessen angeblichen Todestag zu feiern“. Also legte May 1898 (zwischen der präzisen Aussage in München, 1897, und der identischen an Frl. von Stieber, 1899, die beide den 2. September 1874 nennen) den 21 Februar als Todestag Winnetous fest. Es ist nicht auszuschließen, dass sich May in Wien einfach von der Situation hat hinreißen lassen. Als weiteres Sterbejahr übermittelte Marie Hannes das ihr von May bei einem Besuch 1897 genannte Jahr 1873, in dem Winnetou 34-jährig als „Opfer weißer Rowdies“ gefallen sein soll. Allerdings stammt die Niederschrift der Erinnerung aus dem Jahr 1902. Für die Deutschen ist Winnetou wie ein Superman. Supermänner waren die „Rothäute“ nicht, dafür fehlte ihnen schon die Statur, die der Europäer attraktiv findet. Es waren in der Regel kleine, untersetzte Gestalten, mit verkniffenen Gesichtszügen. Sie waren aber, betrachtet man ihre Häuptlinge, die Clanchefs, ein tapferes überlebenswiliges gutes Volk, dem der höchste Respekt gebührt. - „Winnetou war nicht so“, will heißen, ein wirklicher Apache oder auch Sioux hätte nie mit einer solchen Empathie, die ja eine Menge Selbstreflektion voraussetzt, gehandelt, wie es Karl May seinem Winnetou angedichtet hat, weil ein den natürlichen Gesetzen der Wildbahn unterworfenes Volk, sich diesen oft genug auf Selbstverleugnung hinauslaufenden Ethos gar nicht leisten kann. Das ist pastoral-evangelische deutsche Dorfpfarrer- und Gelehrtenstubenmoral, die im praktischen Alltagsleben auch in den Zivilisationen der fortgeschrittenen Völker keinen Platz hat, wenn schon diese Idealbilder von Scheinheiligen so gern im Munde geführt werden und allein von deutschen Hyperidealisten tatsächlich zu ihren Nachteil gelebt werden, wofür die Blödigkeit einer deutschen Kanzlerin A. Merkel (die, zum Nachteil der Deutschen, Millionen fremdstämmiger Sozialschmarotzer in der BRD-Rundumversorgungssysteme hereinholte) das aktuellste und erschütterndste Beispiel hergibt.