DAS „WEICHE RINGLEIN“
 
 
Ich weiß ein weiches Ringlein  fein,
das trägt am heiligen Fingerlein
das Bräutlein Christi allzu gern,
dann ist der Herr ihr nicht zu fern.
 
Lieb‘ Jesulein, ein kleiner Schnitt,
schenkt uns nach alter Juden-Sitt‘
des Kindleins göttlich‘ Körperteil,
zu aller Gläubigen Seelenheil.
 
Gar wundertätig ist die Haut,
und wer als Pilger sie beschaut,
dem ist von Höllenfeuers Biss
ein großer Ablass ganz gewiss.
 
Ein Wunder ist schon das fürwahr,
dass eine Haut zweitausend Jahr,
sich hier auf unserer Erdenwelt,
ohne Schrumpfung frisch erhält.
 
Und sogar vielfach sich vermehrt,
wird sie ja vierzehnfach verehrt.
So schenkt der Herr den Überfluss
und Bräuten Christi Lustgenuss.
 
Die Frage bleibt, wie mag es sein,
vermehrt‘s sich so wie Brot und Wein,
oder war das in Jesus Schoß,
womöglich göttlich riesengroß ?
 
Wohltätig schwoll auf jeden Fall,
des Wunderglaubens Widerhall,
und nicht nur Nonnen lobten laut,
die Segenstaten der Vorhaut.
 
Vom „Weichen Ringlein"

 
Pedro de Alfonzo schreibt: „Als gläubiger Katholik bin ich froh und glücklich über die vielen herrlichen verehrungswürdigen Reliquien die aus alter Zeit auf uns gekommen sind und uns erinnern wollen an unsere Christenpflicht den alten Heiligen Liebe und Respekt zu zollen. Doch nicht nur von jenen die uns vorausgingen im Herren, auch der Herr selbst hat uns so wundertätige Dinge von seinem Hl. Leibe geschenkt wie seine köstliche Hl. Vorhaut. Wie stattlich der Herr auch an seinem irdischen Leibe gebaut gewesen ist, erkennen wir unschwer daran, dass unsere Hl. Kirche an den verschiedenen Gnadenstätten mindestens 13 Hl. Vorhäute aufbewahrte, die zusammengesetzt ein gar prächtiges Bild des Wohltäters ergeben würden. Die Herrenreliquie des Sanctum Praeputium Domini ist bei der Beschneidung des Knäbleins Jesus von Nazareth (Lk 2, 21) gewonnenen worden und stellt das einzige in der irdischen Welt zurückgebliebene Gotteszeugnis dar. Bei Christi Himmelfahrt ließ der Herr allein seine Vorhaut als sein Hl. Andenken zurück. In der Antwerpener Liebfrauenkathedrale wurde die schönste der Herren-Vorhäute in besonderer Kapelle verehrt. Dann kam der calvinistische Bildersturm von 1566, und die heilige Vorhaut ist von ruchloser Hand entwendet worden. Seitdem sind ehrenwerte Männer und Frauen auf der Suche nach ihr. Lasst uns nicht nur am Tag der Hl. Vorhaut, dem 1. Januar („Tag der Beschneidung Jesu“), darum die Mutter Gottes Maria bitten, dass sie uns wiedergefunden werde, denn die Heimholung der Vorhaut Jesus ist uns ein besonders liebes und wichtiges Anliegen in der modernen Zeit. Am vorbildlichsten war die Vorhautverehrung in Frankreich, wo ebensolche gezeigt wurden in Besançon, Boulogne, Compiègne, Conques, Fécamp, Langres, Le Puy, Coulombs, Metz, Nancy und Paris, doch die berühmteste nannte die Abtei von Charroux bei Poitiers ihr Eigen. Karl der Große höchstpersönlich, der sie von einem Engel erhielt, hat sie den ehrwürdigen Mönchen geschenkt. Auch im spanischen Santiago de Compostela zog es fromme Jakobspilger aus ganz Europa vor den Vorhaut-Altar. Die heilige Katharina von Siena (1347-1380) trug die Vorhaut Jesu als unsichtbaren Fingerring, während sie sich Augenzeugen zufolge ekstatisch am Boden wälzte und die leidenschaftlichen geistigen Umarmungen Christi genoss. Während einer ihrer Erregungen hatte die Heilige von Jesus selbst, als Vermählungsring, seine Vorhaut geschenkt bekommen. Diesen Hl. Ring vermochte allein Katharina zu sehen, er ziert aber noch immer den Fingerknochen der Hl. Frau, der zusammen mit ihrem Kopf in S. Domenico zu Siena verehrt wird.Der hochlöbliche spanische Jesuit Alfonso Salmerón (1515-1585), einer der ersten Schüler des Hl. Ignatius von Loyola (1491-1556), dichtete dazumal: ,Jesus schickt seinen Bräuten den fleischlichen Ring des höchst kostbaren Präputiums. Der Hersteller ist der Heilige Geist, seine Werkstätte ist Marias reinster Schoß. Das Ringlein ist weich !'

 
Auch sei aus aktuellem Anlass den Deutschen mahnend zugerufen: ,Kommt zurück in den Hl. Schoß der Kirche, ihr Kirchenflüchtlinge, Ihr habt Eure schweren Sünden wieder gutzumachen !' Denn bei der ,Sacco di Roma', der katastrophalen Plünderung Roms im Mai 1527 durch deutsche Landsknechte und spanische Söldner, wurden auch die Sancta Sanctororum geraubt. Die Legende berichtet, dass ein deutscher Landsknecht, der die Hl. Vorhaut Jesu stahl, später 45 Kilometer nördlich von Rom in Calcata festgenommen wurde. In seinem Kerker habe der Landsknecht das juwelenbesetzte Reliquiar samt Vorhaut versteckt, wo es erst 1557 wiederentdeckt worden ist. Calcata war seither das aktivste Zentrum der Hl. Vorhaut-Verehrung in ganz Europa. Jährlich am 1. Januar wurde in dem frommen Bergdorf das Sanctum Praeputium bei einer Hl. Prozession den Gläubigen gezeigt. Es betrübt uns zutiefst, dass kurz vor der Prozession des Jahres 1984 der Dorfpfarrer von Calcata eine erschütternde Nachricht seiner Gemeinde kundgeben musste, nämlich, dass die Prozession ausfalle, weil die Hl. Reliquie spurlos verschwand. Lasst uns gemeinsam beten, die reinen Herzens sind, dass auch diese Hl. Jesu-Vorhaut - mit der Hl. Engel Hilfe - wiedergefunden werde. - Gelobt sei der Herr !“
 
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Alphons Victor Müller (1867–1930), auch „Müller-Rom“ genannt, widmete diesem Thema sein 1907 in Berlin erschienenes Werk „Die ,hochheilige Vorhaut Christi’ im Kult und in der Theologie der Papstkirche“. Über dieses 156 Seiten umfassende Buch, das in der Staatsbibliothek zu Berlin unter den Linden eingesehen werden kann, allerdings nur im Lesesaal, weiß das von Horst Hermann 2003 bei Rütten & Loening veröffentlichte „Lexikon der kuriosesten Reliquien“ Folgendes zu berichten: „A. V. Müller führt 1907 in seiner Abhandlung über ,Die hochheilige Vorhaut Christi’ immerhin 13/14 Stätten auf, die sich des Besitzes der wahren Vorhaut Jesu rühmten: die Laterankirche in Rom, Charroux bei Poitiers, Antwerpen, Brügge, Paris, Boulogne, Besançon, Nancy, Metz, Le Puy, Conques, Hildesheim, Calcata.“ In Hermanns Nachweis ist die Rede von regelrechten Präputium-Mystiken und -Kulten. Speziell bestellte Vorhaut-Kapläne sorgten in Antwerpen für die angemessene Liturgie, die bis zu feierlichen Hochämtern zu Ehren des heiligen Häutchen reichten. „Zu dem im französischen Charroux verehrten Teil, dem noch zu Zeiten Voltaires und Goethes eine günstige Wirkung auf den Verlauf der Geburt zugeschrieben wurde, pilgerten vor allem Schwangere.“ In der Kirche Unserer Lieben Frau zu Antwerpen sei seit 1112/1114 eine weithin berühmte Vorhaut gezeigt worden, die Wunder gewirkt habe: Der Bischof von Cambrai hatte drei Blutstropfen von ihr fallen sehen, worauf der Klerus eine prächtige Kapelle und einen Altar aus Marmor für sie errichten ließ. „1426 wurde in Antwerpen eine Bruderschaft van der heiliger Besnidenissen Jhesu Cristi gegründet, der 24 vornehme Geistliche und Laien angehörten. Papst Eugen IV. stattete die Mitglieder der Vorhaut-Bruderschaft mit Ablass und Privileg aus. Obwohl die Antwerpener Vorhaut bereits beim Bildersturm von 1566 verschwunden sein soll, ist ihre Verehrung noch im 18. Jahrhundert nachzuweisen.“
 
Bild: Friedrich Herlin „Beschneidung Christi“ (ca. 1430-1500, li. Seitenflügel des Zwölfbotenaltars der Jakobskirche in Rothenburg.