Germanische Beerdigung zur Bronzezeit von Wilhelm Petersen
 
ZEITRAUM DER RUNE
 
Der Sternen-Skorpion ist Satans Symbol,
des „eröffnenden“ Orions Gegensatz-Pol.
Er streckt den Stachel, - Sieg im Sinne,
die Lanze Lokes, der Siechtums-Spinne;
er zeigt fein Zepter und seinen Zorn,
in Todesschlaf sticht sein giftiger Dorn.
 
Der Skorpion ist Sinnbild kalter Kraft,
er saugt des lebendigen Samens Saft.
Siechet die Sonne in seinem Zeichen,
muss leuchtendes, lachendes Leben weichen.
In ihm sah man Angraman, Typhon und Seth,
dem Sterbesignal, das in Sternen steht.
Wenn des Winters Todes-Tatzen winken,
steigt der Skorpion, muss der Orion sinken.
 
Des Orions Weg gleicht dem Sonnenlauf,
der Göttliche kreist um den göttlichen Stauf.
Prajapati, die vedische Schöpfergestalt,
Dyauspitar und Brahma von gleichem Gehalt,
wie Herkules, Thunaer, die Keulenträger,
am Winterhimmel der ruhelose Jäger;
ja Tammuz, Adonis, Wodan und Thoth,
ganz allgemein ein Gleichnis für Gott,
all das galt den Alten der Orion,
himmlische „Doppelaxt“, nächtige Sonn’.
 
Nun sinkt das Symbol für Gottes Segen,
im Orion schien sich Osiris zu regen.
Denn was man in diesem Sterbild sah,
war Osiris Seele, - sein heiliges Ba.
 
Qsiris ist Geistgott, Logos und Licht,
der aus quicken Quellen Segen verspricht.
In ihm verbinden sich Sonne und Mond,
wie in Wasser und Feuer Göttliches wohnt.
 
Osiris ist Allgott, genau wie Odin,
gleich Sarapis, umfassendster Gottes-Sinn.
Wie Hermes-Thoth, hat er viele Gesichter,
er ist Totenbegleiter und Seelenrichter;
 
ist das Gottes-Zentrum, ist Geist-Zenit,
dessen Zeugekraft Gutes ins Dasein zieht
Er schwillt in jeglichem seligen Spross,
eine Macht wie Mithras und Dionysos.
 
Des gewaltigen Weltgottes Gleichnis-Tier
war der allbefruchtende Weltenstier.
Wie wäre Gott besser bildlich zu fassen
als in kraftstrotzenden, stolzen Massen ?!
 
Das war kein unkluges Kinder-Gefabel,
das war die erhabendste Gottes-Parabel.
Hohe Himmels- und Wettergötter walten
im Bildnis bulliger Wildstier-Gestalten.
 
Der Erdmutter-Kuh hoher Bruder-Gemahl
war Teschub, Adad, Indra, Marduk, Baal.
Es gefiel Zeus, diese Form zu zeigen,
um sich solcher -Opfergaben zu neigen.
 
Kimbern und Teutonen, die urfernen Ahnen,
auf ihren blutig erkämpften Bahnen,
hatten ein einziges Erz-Bild erkoren,
bei dem sie heiligste Eide schworen.
Ein Weihe-Stier wurde so hoch geachtet,
als Abbild des höchsten Gottes betrachtet.
 
Der Apis-Stier, das Memphis-Mirakel,
war des Osiris lebendiges Seelen-Orakel.
Das Altertum hat sich im Stiere gedacht,
die Umkleidung für Gottes unfassliche Macht.
 
An den Dunkelmondtagen im Wintermond
bleibt kein hell-heilendes Heil verschont.
Die Sonne taucht in den niedersten Stand.
Der magernde Mond scheint ausgebrannt.
Der „Dritte Herbst“ will den Himmel hehlen,
die segnenden Strahlen der Höhe fehlen;
feindseliges Flüstern erfüllet die Frist,
die ein Tal, eine Tiefe der Trauer ist.
Keine Zeit-Zone harret so hoffnungsleer;
schwarze Äste starren nun tränenschwer.
Schon folgender Finstermond-Wechsel fällt
in die „Mutternacht“, die ihn sacht‘ erhellt.
Die Schwärze der Winterwende durchscheint
das neue Lichtlein, das Hoffnung meint.
 
Bis dahin doch währen noch wehe Wochen,
manch‘ Leben wird da verwundet, gebrochen.
Grau-grämlich wandern die Wolken-Wammen,
die Näpfen der neidigen Nixen entstammen.
 
Rinnend rauscht Regen in Pfuhl und Pfützen,
dies mag nur Nöcken und Nattern nützen.
Nachtgeister, Schwarzalben, Dunkelelfen
woll‘n den Gewalten des Winters helfen.
 
Nebel - Nicker, neizende Neid-Nifelungen,
sind nördlichsten Nebelnestern entsprungen.
Krähen kreisen über Klippen und Klüfte,
krächzendes Klagen durchkreiet die Lüfte.
Im Nebel-, Winter-, Wolfs-, im Sterbemonat
geschieht jene schwerste Opfertat.
 
Was soll dreiundzwanzigste Rune sagen,
in des Schlacht- und Opfermondes Tagen ?
Ihr Begriff bezeichnet URUZ, den Stier,
den Auerochsen, UR, das „Befruchtungstier“,
das „Wildrind“ mit glatt-glänzendem Haar,
mit lang hochgeschwungenem Hörnerpaar.
 
Aus ihm löst sich „ur“, ursächlicher Segen,
der belebende, düngende „feine Regen“.
 
Die Verbildlichung aus dem Gestaltenreich
ist als Gleichnis mit Gott bedeutungsgleich.
 
Das runische Zeichenbild zeigt das Haupt,
welches den schlüssigen Schluss erlaubt:
Seine Hornspitzen stehen nun abgewendet,
das göttliche Heils-Haupt, es liegt verendet.
 
 
Brakteat „Obermöllern-B“ mit Opfer-Geschehen
und uruz-Opfer-Rune - Fund aus thüringischem Frauengrab.
Der Brakteat lag auf dem Mund der Toten,
wie ein „Charonspfennig“, dabei 21 Glasflussperlen.
 
Dreiundzwanzig heißt: Gottvater und -Sohn,
die „Zeuge-Gesamtheit“ der Religion.  
zeigt das Fünferprinzip, das Pentagramm,
sie spricht vom Kosmos, vom Gottesstamm.  
Gott selbst ist die Erscheinung des Ganzen,
er schuf sich das All aus fünf Ur-Substanzen.   
Das ist fünf-fältig, fünf-tiefig, fünf-gründig;       
fünf Teile gebündelt sind gottesbündig.
 
Der Brahmanas Weisheiten der Brahmanen,
die predigten einstens vom Opfer-Planen:
Fünferlei sind die hehren Hochopfergaben,
an denen allgöttliche Mächte sich laben.
 
Fünf Haupt-Opferarten sind zugelassen,
das Gottesopfer muss alle Fünfe umfassen.
Dem Kenner der Zahlen bleibt keine Wahl,
für das Gottes-Allopfer gilt diese Zahl.
 
Jenes Opfern des Ochsen ist oftmals belegt,
Bereits zur Steinzeit ward es gepflegt.
ägyptische Priester sagten so dem Solon,
dass die zehn Könige von Atlantis schon
im uralten Brauche, um Gott zu preisen,
den Weihestier warfen, ganz ohne Eisen;
sie jagten allein ihn mit Band und Keule
und bluoteten ihn an der Bernsteinsäule.
 
Die Völker der Taiga, Männer der Tundra
nachahmten bis in die Neuzeit sogar
Ur-Sitte und -Sinn dieser hohen Handlung,
ohne wesentlichen Wechsel, ohn‘ Wandlung.
Die Schamanen der Lappen schlachteten
am Welt -Gabelbaum -Bild, dem geachteten,
für die Erhaltung der Schöpfungswelt,
damit nicht die Kuppel des Kosmos fällt,
den Opfer-Ochsen, dessen Opferblut
die All-Stütze stärkte als Segensflut.
 
Bodenplatte des Silber-Kessels von Gundestrup
mit dem Opferstier -
 La-Tène-Zeit 5./1. Jh. v.0
 
Den keltischen Kult erklärte ein Kessel
bei Gundestrup barg ihn des Moores Fessel.
Seine Reliefs verraten uns Mythen-Motive;
der Opfer-Bulle zieret des Bodens Tiefe.
 
Vom Brauch der bronzezeitlichen Ahnen,
den skandinavischen Frühzeit-Germanen,
berichten in Felsen geritzte Bilder,
des Volksglaubens reichliche Aushängeschilder.
 
Papierabrieb vom bronzezeitlichen Felsbild bei Kasen-Bohuslän.
Es zeigt das Stieropfer vor der Sonnenspiral-Säule.
 
Die redende Ritzung von Kasen zeigt
den Weihe-Stier, der sich zur Weltsäule neigt.
Dieser einzige bedeutungsschwere Fund
macht uns das urnordische Ur-Opfer kund.
 
Aus der spätminoischen Kultur auf Kreta
stammt der Sarkophag von Hagia Triada.
Er ist mit zierenden Zeichnungen versehen,
die schildern das Ochsen-Opfer-Geschehen..
 
In sämtlichen klassischen Hochkulturen,
von denen wir nähere Nachricht erfuhren,
wurde der gottvertretende Stier gefällt
für die heilige Ordnung, die alles erhält.
 
Noch die germanischen Gold-Amulette,
die Endglieder der Überlieferungskette,
stellten das Gotteshaupt schwebend dar
über dem Ur-Stier, dem zerteilten Zebar.
 
Was die Alten im „Auerochsen“ geschaut,
im Wesentlichen ist es uns wohl vertraut.
Nur scheinbar wirkt‘s wirr und paradox,
es vermischte sich Mondstier mit Sonnenochs‘.
Der Himmelsstier, vor dem man sich beugte,
galt als Urstoff, der die Welt erzeugte.
 
Der Stier ist Sinnbild der Zeugungsfülle,
urgöttlich, gigantischster Werde-Wille.
Um die Zeiten und Zonen zu errichten,
musste Gott zum Ersten sein Selbst vernichten.
 
Den eigenen Seins-Kreis wollt‘ er verlassen,
um sich in Formen der Schöpfung zu fassen.
Jedes Wandeln, Wachsen und Neuerwerben
ist auch ein Zurücklassen, Opfern, Sterben.
 
Wenn Gott die Undinglichkeit überwand,
er seine Kräfte in‘s Stoffliche band,
musste dies vor der Weltenwerdung gescheh‘n,
sollt‘ aus seinem Opfer die Welt entsteh‘n.
 
Dies Ur-Werde-Opfer wurd' nachempfunden,
wie es Vernunft und die Quellen bekunden,
kurz vor dem kultischen Jahresbeginn,
als ein wieder vollzogener Schöpfungsgewinn.
 
Jeder Kultkreis feiert sein Schöpfungsfest,
jeweils wann er den Jahrlauf beginnen lässt.
Das Gottes-Uropfer war Teil dieser Feier,
denn der Schöpfergott ist der Jahres-Weiher.
 
Das natürliche Jahr, ohne künstlichen Zwang,
folgt dem Pflanzenwuchs wie dem Sonnengang.
Dann gehört das Gottes-Hochopfer-Motiv
vor die Winterwende in‘s herbstliche Tief.
 
Die Athener brachten das Zeus-Opfer dar,
sie führten weiße Stiere zu seinem Altar.
Der Brauch spielte im letzten Jahresmond,
der „Ackerstier“ wurde da nimmer geschont.
Schuldgefühl belastet‘ den „Rindermord“,
jener Stier vertrat Zeus doch am Opfer-Ort.
 
Dem Dionysos, - verleiblichte Fruchtbarkeit,
geschah tief im Winter grausiges Leid.
Als Kind ward er von Titanen zerbissen
und jährlich von jähen Mänaden zerrissen.
 
In Stiergestalt musste die Gottheit leiden,
so wie die Wachstumskräfte verscheiden.
Der „Wilde Jäger“ wurd‘ selbst dann gejagt
gleich dem Orion, der in den Sternen ragt.
Als „Jäger Zagreus“ ward er zerfleischt,
sein göttliches Herz doch blieb unerreicht.
 
Der stiergehörnte Herr der Geisterseelen
könnt‘ Urverwandtschaft schwerlich verhehlen
mit Attis, Adonis, den Wachstumsherren,
die im Verscheiden das Wachstum sperren.
Auch ihrer wurde im Spätherbst gedacht,
in der skorpion-umschauerten Winternacht.
 
Will die Giftspinne ins Frühlicht kriechen,
muss der Orion arg erkranken und siechen.
Im Sternen-Orion sah man den Wilden Jäger,
des göttlichen Heiles rastlosen Heger.
Der auffällige nächtige Himmelskoloss
galt als Abglanz des hehren Dionysos
und des Tamuz sowie des Adonis-Osiris,
des Wodan dann sicherlich gerad‘so gewiss.
Der galt den Ahnen als Fruchtbarkeitswecker,
als Jahresherr und Schicksalsvollstrecker.
 
Erwacht die schwache Sonne im Skorpion,
erstirbt die Sprießkraft, die Vegetation.
Dann muss auch Osiris „Körper“ sterben,
nur Gottes Seele kann niemals verderben.
Am dreizehnten Nebelmond, zur Todesnacht,
hat sicher Seth-Satan im Siege gelacht.
 
In vierzehn Stücke lag Osiris zerspellt,
doch aus den Gliedern wird wieder die Welt.
Zusammengefügt, werden sie Isis genügen,
aus seinen fünf Teilen wird neu sie ihn fügen.
 
Haupt-Schlachtmonat in deutschen Landen,
so wurde der November immer verstanden.
„Blotmonath“, Opfermonat sagten die Ahnen,
daran kann noch heutige Sitte gemahnen.
 
Der Jahresstier wurde einst geschlachtet,
den man als Bild der Gottheit geachtet.
Ihr Bluot wollten alle Gläubigen spenden;
doch wer hat schon einen Stier zu Händen ?
 
Als genügendes Opfer für den armen Mann
hat‘s auch ein Ersatzgebilde getan.
Um den Segen der Gottheit zu erlangen,
des kommenden Jahres Heil zu empfangen,
war es erlaubt im verbreiteten Brauch,
etwas Nachgebildetes zu benutzen auch;
das Opfer in verkleinerter Formgestalt,-
wirklich wichtig war frommer Sinngehalt.
 
So schenkte man kleinere Liebesgaben,
geringer Opfer erschien Gott nie erhaben.
Man formte Gebäcke, - „gebildetes Brot“,
man fertigte „Gebildbrote“ für das Bluot.
 
Um die Wesenheit des Stieres anzudeuten,
genügte es Goden und Opferleuten,
allein die prächtigen Hörner zu prägen,
auf diesem Sinnbild schon lag der Segen.
 
Diese Überlieferung ward festgeschrieben,
ist bis auf den heutigen Tag geblieben.
Im Opfermonat buk man die „Horngebäcke“,
zu nichts anderem als zum Opferzwecke.
Zwar verbot ein gestrenger Fingerzeig,
ein Bluot zu bilden aus „Ton und Teig“.
Doch schmeckt es noch, das Heidenkörnchen,
am Mars-/Wodantag, das „Märtenhörnchen“.
 
Der Seher der Runen-Religion
setzte die Stäbe für Jahr und Äon:
Der Tag ist kleiner Jahresbruder,
das Äon folgt gleichem Gottesruder.
Von der Ebennacht zur Winterwende
erstreckt sich Herbstes Jahresende.
Doch auch die Vor-der-Schöpfungs-Zeit
macht sich zur Weitwerdung bereit.
Was in dem Abschnitt einst geschah,
sagt Gläub‘gen das Avesta wahr.
Diese und auch and‘re Quellen
woll‘n wir uns zum Rat bestellen:
Aus Großer Mutter fließt das All,
das wird des Vaters Geistkristall.
Zwei Söhne stehen am Beginn,
der Waage gleich, Verlust - Gewinn.
Der Gute Geist ist Erster Sohn,
ein zweiter sprach der Gottheit Hohn.
Zum Ur-Stier wurde Gottes Geist,
das gute All, hineingespeist.
Der Böse hatt‘ ihn umgebracht,
doch dessen Folgen nicht bedacht.
Aus diesem Opfer Heil gedieh,
aus totem Ur-Stier ward das Vieh.
Im Urstofflichen wuchs die Tat,
sie galt als erste Schöpfungssaat.
Daraus gedieh die Weltenrebe,
und fort spann sich das Seins-Gewebe.
 
Der Welten-Stier ist undinglich, abstrakt,
sein Bluot ein begrifflich-geistiger Akt.
Ein Sinnbild für „zeugenden Ur-Anstoß“,
den Impuls, aus dem sich Weltsein ergoss.
 
Schon der allgöttliche Geist Prajpati war
jener welterhaltende Stjer in Atharvaveda.
Es heißt: „Er ist in die Welt eingegangen !“
Mit ihm hat die stoffliche Welt angefangen.
 
Wie Osiris ward Prajapati geopfert, zerteilt,
dass sein Selbst im gesamten Kosmos weilt.
Der Bundahish, ein arischer Schöpfungsbericht,
der vom Geschehen ur-erster Dinge spricht,
beschreibt des Bösen schreckliche Tat,
aus der sich doch Segen ergossen hat.
Ur-Wesens Musterideen gelangten zum Keimen,
wuchsen Erde und Himmel mit allen Heimen.
Aus gemordeter, zerteilter Idee des Guten
überschwamm die Vorwelt von Segensfluten.
 
Wir müssen die Reliefs und Fresken besehen,
aus Kulträumen des Mithras, den Mithraen
Der Opfermoment ist dort bildlich erfasst,
auf dem Stier kniet des Mithras leichte Last.
 
Mithräum III. von Nida-Heddernheim auf dem „Heidenfeld“
aus 1.-2. Jh. n.0 (Mus. für Vor- u. Frühgesch. Frankfurt / Main)
 
Mithras selbst, licht wie der weiße Stier,
der Gott ist sein eigenes „Opfertier“.
Aus getoteten Gliedern, aus Schwanz und Haut,
sprießt Getreide hervor und heilendes Kraut
Vom Ort, wo das Messer im Opferleib ruht,
entströmt „das für alle vergossene Blut“.
 
An den Hoden aber hockt lauernd schon
jener unholde Angraman, der böse Skorpion.
Die gute Urschöpfung - will er verhindern,
den Samen des Heiles aufsaugen und mindern.
 
Des „aryanischen Heilsplanes“ Grundumfang,
dieser Jahrtausende alte, hohe Gesang,
hat sich als Kern vieler Kulte erhalten,
trotz seinem reichverzweigten Entfalten.
 
Unwesentlich ist, wer das Opfer vollzieht,
ist es „Gott selbst“ oder „der -ihn verriet“.
Das Geopferte ist immer nur Gottes Ich,
dem der Segen entströmet so wunderlich.
 
War es Gott selbst, so war es sein Willen,
den Wunsch nach Weltenwerdung zu stillen.
Hat mit der Tat sich der Böse beschmutzt,
so hat ihn der Herr nur als Werkzeug benutzt.
 
Die Rune dreiundzwanzig heißt „Gottes Not“,
sie ist ein Ausdruck für Wodans Opfertod.
Einst galt sie dem Herrn des Himmelsganzes,
ist doch das Jahr und Geist-Gottes ein Ganzes.
 
Aber Wodan hat, wie es klar erscheint,
alle Gotteserkenntnis auf sich vereint.
Er ist in einem einzigen Sinnbild-Block:
Welten-Stier, Sonnen-Hengst und Feuer-Bock.
 
Das erzeigen die Prägungen der Brakteaten,
sie helfen, das Grundwesen Wodans erraten.
Da schwebt er über dem Tier von eigener Art,
mit Rosshaupt, Stiergehörn und Ziegenbart.
 
Das war uns‘res Hoch-Glaubens höchste Zier:
der gerechte Geist, Wodan/Mithras, der „Stier“.
Nach religionsgeschichtlicher Werde-Norm
sah die Spätzeit Gott mehr in Menschen-Form;
Tier- oder Menschenbild, beide verfehlen,
sie können von Gott nur stammelnd erzählen.
 
Die germanische Weisheitsdichtung bewahrte
im eddischen „Havamal“ die Opfer-Sparte:
Wodan spricht selbst die „Sprüche des Hohen“,
die sein hohes Opfer erleuchtend umlohen:
 
„Ich weiß, dass ich wiegte im Weltenbaum,
kein Wissender wähnt seiner Wurzeln Raum;
von der Waffe verwundet, dem Wodan geweiht,
ich selbst mir selber, im strengen Streit.
Keine Labung lud mich, zu lindern die Last,
ich erriet ringend Runen aus ragender Rast.
Da stürzte mein Selbst in siegendes Sterben,
vom Worte zum Werke die Welt zu erwerben.“
 
Was die Merkverse der Edda hier erfassten,
das war ein skaldisches Suchen und Tasten
um die Ur-Not der Gottheit im Opfermoment,
dem Welt-Werdeschmerz, den kein Seher kennt.
 
Doch mag menschliches Sinnen nur zu verstehen,
dass Neues erwächst aus gebärenden Wehen.
Ob Wodan im Mythos sich selbst verletzte,
ob der Widersacher den Stachel setzte,
für die Heilsgeschichte ganz ohne Belang,
wirklich wichtig bleibt Wodans Opfergang.
 
Der Urgeist als Urstier erschuf die Welt,
aus seiner Substanz ist sie zusammengestellt.
Geist fiel herab, zur Schöpfung geronnen,
so wurde, verbildlicht, das Gute gewonnen.
 
Aus des Lichtgenius Mithras Stiergebilde
ersprossen alle heilsamen Fruchtgefilde.
Aus dem Grab des Osiris erwuchs Getreide;
so sendet Gott Segen aus seinem Leibe.
 
Ihre Urwesenheit wollte die Gottheit „morden“,
aus dem Opfer ist Wodan zur Welt geworden.
Er erriet mit den Runen der Welten Reim,
das Werde-Wort war erster Schöpfungskeim.
 
Das Runengeheimnis von Sprache und Schrift,
die erhabendste, heiligste, göttlichste Gift,
hat ja das Weltall des Geistes erschaffen;
damit gab Gott seinen Geistern die Waffen
gegen stofflichen Trieb und niederen Sinn,
die Runen wurden geistiger Welten-Beginn.
Das Geheimnis des Alls ist in sie geflossen,
im Kreise der Runen liegt es beschlossen.
 
Des „Dreimalgrößten Hermes“ siebentes Buch,
ein früher, frommer Gottes-Deutungsversuch,
spricht schon davon in den ersten Spalten:
 
„Der Werkmeister wollte die Welt gestalten,
nicht mit Händen schuf er den hohen Hort,
sondern allein durch Willen und Wort !“
 
Im Schritt durch die verwandelnde Pforte,
im Opfergang, fand Wodan die Runen-Worte.
Er fiel in die Stoff-Welt, die er errief,
die zur Vorzeit in seinem Willen schlief.
Seine Worte wuchsen und wurden Werke,
so gewann die Welt und Wodan an Stärke.
 
Das Motiv vom leidenden, gerechten Geist,
durch Welterfahrung reichlich gespeist,
hat sich sicher ins Gottesbild eingewoben,
wie hienieden, so schien es auchdroben“.
 
Nichts Großes geschieht ohne Opfersinn,
das besagt ein anderer Erkenntnisgewinn.
GuteGötter und Geister“ müssen leiden,
das Weltenglück will die Gerechten meiden.
 
Orpheus, der ein gottreines Leben geführt,
ihm wurde zum Schmerze die Gattin entführt.
Dieser Gerechte, gesteinigt und zerrissen,
wie sehr musste er Gerechtigkeit missen.
Nur aus dem Tod darf er Weisheit mehren,
das Haupt des „Unsterblichen“ sollte sie lehren.
Das singt unverweslich vom Ewigen Leben,
dies Wissen allein wollte Orpheus uns geben.
Den Sokrates schloss die Missgunst in Haft,
unschuldig trank er den Schierlingssaft.
Platon beschrieb ihn, diesen Gerechten;-
wie viel leichter doch leben die Schlechten.
Zum Vorbild wird Hohes in Stein gemeißelt,
doch im wirklichen Leben gefoltert, gegeißelt.
Die Wahrheit wird geblendet, geschändet,
die Reinheit martert man, bis sie verendet.
„Schließlich wird sie an‘s Kreuz geschlagen“,
so sagte schon Platon in seinen Tagen.
 
Und wahrlich, wie arg haben Kreuze gequält,
die Entehrten, Geschändeten, - ungezählt.
Was tat doch der Pöbel im „Kreuzeswahn“
einst dem Leib der hehren Hypatia an.
Auf Stufen der Schule ergriff sie die Meute,
ihr blutiges Haupt, - eine grausige Beute.
Was war jener Raud ein fromm-freier Mann,
ohne Demut sprach er den König an:
Den Glauben lass’ mir, den Vater vermachte,
so wie ich dir deinen belasse und achte.“
Doch Schmähungen stieß der „Bekehrer“ hervor,
der „Kreuzbesess‘ne“ umkrallte das Rohr,
eine Otter schob er ihm in den Mund,
und drängt‘ sie hinab in des Bauern Schlund.
Und des Widukind sächsische Widerkraft,
vierzig Jahre „gekreuzigt“ in Klosterhaft.
Am Weltbaum verwundet, hat Wodan gelitten,
und es leiden die Lichten in Weltenmitten.
Ob hängend am Holze, blutend aus Wunden,
ob an‘s Weltenkreuz der Materie gebunden,
die Besten läutern am Stoffe sich, - leidend,
für Gott ist die Weltenprobe entscheidend.
Der Stoff-Welten wogend‘, verwirrend‘ Getrieb‘
gleicht Werkmeisters michligem Scheidesieb.
Die Guten und Starken, Gerechten, Gesunden,
sie werden imSchicksaisgerüttel“ gefunden.
 
Die holt sich am Ende der Herr nach Walhall,
die steh‘n als Garanten für Utgards Fall.
Das sind seine Kinder, die nimmer erliegen;
mit Wodan werden die Lichtkämpfer siegen !