ZEITRAUM DER RUNE
 
Die überkreuzenden Arme, Symbol der Vereinigung.
Langobardisches Relief, Herzog-Ratchis-Altar (737-744)
Dommuseum Cividale / Friaul /Italien.
 
Die fünfte Rune im rätlichen Rund,
des Menschen Mythos macht sie uns kund.
Bevor noch der erste Weltentag tagte,
bevor sich der Wille ins Werden wagte,
bevor sich der Bildner hernieder beugte,
bevor er die Zonen und Zeiten erzeugte,
da ging nur Geist von Gottes Gewalt,
und Gottes Geist war von Menschengestalt.
Dem Stiere gleich an strotzender Stärke,
wohlwillig als Wirkel zum wackeren Werke.
 
Allen Anfanges Atem mit sich allein,
sein Wesen nur wallte ins Wirken hinein;
aus seinem Selbst, aus seiner Substanz,
schuf er die Schöpfung gärlich und ganz.
Um das einsame Währen zu überwinden,
musst‘ er der Fülle und Form sich entbinden.
Vollkommenheit fiel ins Werk und Gewimmel,
der Urkern zerbrach zu Erde und Himmel,
zu Mutter und Vater, Leib und Leibfasser,
Erreger - Erregtes, zu Feuer und Wasser.
Die Einheit der heiligen Ganzheit zersprang,
so gedieh der Urzeugung Opfergang.
So gerann der urgöttlichen Ursache Gut,
zu Land und zu Luft, zu Flamme und Flut.
Und ein weiteres wirkendes Wesen ward
von geistiger, gottgleich einziger Art.
Fünf Opferteile, - fünf Grundbausteine,
fünf-fach begründet, das Große und Kleine;
fünf-wesig geworden, was ist und was war,
fünf-zählig der Zeitlauf, das Sonnenjahr,
fünf menschliche Sinne und menschliche Glieder;
Kosmisches spiegelt im Kleinsten sich wider.
 
Von Indien bis Island, - ideenverwandt,
es lebten die Lieder in jeglichem Land,
die die Weltenwerdung und -waltung besangen,
wenn froh sie an festlichen Feuern erklangen,
die gültig die brave Gewissheit ergaben:
 
„Kein Grimm und Graus kann es untergraben,
der göttliche Mensch steht im göttlichen Plan,
Gott wurde zum Urmensch‘, zum Menschen-Ahn.
,Das’ Gott ist Mutter, ,das’ Gott ist Vater,
uns Kindern Gottes gilt Gott, der Berater !“
 
Die Mythen, Mären der Menschen, sie malen,
sie zeigen Bezeichnungen, Zeiten und Zahlen;
sie weiten, sie breiten, sie kürzen, sie längen,
sie engen, verdrängen, sie mehren und mengen.
Und doch spricht der Sagen Gesicht und Gestalt
vom ältesten Kern und vom Urgehalt.
 
Ehe das Urselbst in Sichtbarkeit sank,
da war weder Wetter- noch Wogengewank;
nur schaurig schattiger, endloser Schlund,
nur Ginnungagap, der gähnende Grund..
Das Gott nur, das in sich die Pole verschloss,
war der grundlosen Gähnung ganzer Genoß.
Nun wurde das Wagen, das waltige Werden,
die Urkuh Audhumla, das Mütterchen Erden.
 
Zur Höhe erhob sich der himmlische Stier,
Tuisto, Gott-Vater, der Zwitter, herfür.
Von bulliger Kraft, von menschlichem Bild,
zu wachen, zu wägen, zu weisen gewillt.
Seiner Macht ist Urmensch Mannus entsprungen,
derartig, als hielten sich zweie umschlungen.
Nur in einem vollkommenen, liebenden Leib,
so mengten zur Urzeit sich Mann und Weib.
Aus Erde gewerkt, von den Wassern gewiegt
und des Urgrundes Geister hineingeschmiegt,
so ist, von unsterblicher Seele durchronnen,
des Gott-Menschen sterbliches Wesen gesponnen.
 
Als dessen Zerlösung in Hälften geschah,
wuchsen Asker und Embla, das Urmenschen-Paar.
Das zersplitterte sterbliche Leben rang,
bis es wieder die Leiber zusammenschlang.
In sämtlichen Formen wollt‘ es sich finden
und immer auf‘s Neue verbinden, verbinden.
 
Es buhlten die beiden, dass bald sie gebaren
der bunten Geschöpfe unendliche Scharen;
von Menschengestalten, dem Glanzgotte gleich,
bis hin zum Geziefer, dem tierischen Reich.
Der Mensch als Mittler zwischen den Mächten,
der himmlischen Helle, - den irdischen Nächten,
steht auch zwischen Gottesheit und Getier,
so sind Geistgottes-Kinder und Leib-Eltern wir.
Nicht untertan sind uns die Wesen der Welt,
der Mensch ist zur minnigen Muntschaft bestellt.
So lauten die Lieder, die zeitlosen Lehren,
Weisheit um Mensch und um Mitgard zu mehren,
Verständnis zu fügen vom firnen Entfachen,
ein Mutmaß zu setzen vom mich‘ligen Machen.
 
Gott sei dort droben, der Mensch aber hier,
Gott sei so ferne von Mensch und von Tier,
wahnwitziger Glaube des irrigen Scheins,
Gott und die Welt und der Mensch sind eins !
 
Wie immer die Schau des Welt-Werdefalls,
heißt das Urgott nun Atman, der Atem des Alls,
Prajapathi - Brahman - Shiva - Zervan,
wallt die Werdung mit Vayu, mit Wodan heran,
das Urselbst sank nieder ins stoffliche Sein,
es hüllte in fünf Elemente sich ein
es wurde zerhackt, zerschnitten, zerstoßen,
es wurde zum Baustein im Kleinen und Großen.
Aus Nichts wird nichts, - war nur Gottes Geist,
ist der welt-erste Körper aus ihm nur gespeist.
Jener Urweltstoff, der die Werdung „besamt“,
von Völkern und Zeiten verschieden benamt,
war das erste zu teilende stoffliche Ding,
wie ein rensender Riese im Urraum-Ring.
Sein Name heißt Zwitter, von Urzeiten her,
man nannte ihn Yama, Yima, Ymir, Yemer.
Das war Urwelt-Materie in Menschengestalt,
fünf Riesen-Bereiche zusammengeballt.
Aus der Urbolle Blust, dem blühenden Bronn,
sprang das Urwesen Panku, der Punku-Wong.
Und der göttliche Geist, die Gottesgedanken,
schieden ihr Stoffselbst - setzten die Schranken.
 
Sie werkten den Wesen die irdische Welt,
sie umhegten die Höhe mit himmlischem Zelt.
Gebein ward zur Erde, Blutfluss zum Meer,
das Haupt wurde Himmel, - so heilig, so hehr,
aus Augen entstanden die Sonne, der Mond,
aus Atem ward Wind, den der Allgeist bewohnt.
So sind die Erscheinungen jeglicher Zeiten
von Gottes Urall-Leib allein abzuleiten.
Was die Menschen auch hoffen und bangen macht,
es sind nur Gedanken, die Gott gedacht.
Jeder Glanz auf schimmernder Blütenhaut,
jedes Minnelied, jeder Jubellaut,
jeder Schneeflockenfall, jeder Hagelschlag,
Gott ist die Nacht und Gott ist der Tag.
 
Ist nicht jeder Baustein, den wir verbauen,
„geschnitten“, „gesägt“ und „herausgehauen“ ?
Ist nicht jedes Gewebe, das wir gesponnen,
aus Garnen vergang‘ner Gebilde gewonnen ?!
Ist Aufbau denn möglich und Auferstehen
ohne Niedergang und Zugrundegehen ?!
Steht nicht vor dem Gedeih des Vergehens Graus,
geht nicht jeglicher Werdung ein Welken voraus ?!
Opfert Altes nicht für das Junge sich hin,
liegt nicht darin des Lebens lebendiger Sinn ?!
 
So ist das „Gleichnis vom Urgrund“ zu glauben,
so mag die Erkenntnis den Glauben erlauben:
dass die Urwelt aus göttlichem Urleib erstand,
den der Urgeist zum Wohl auseinandergespannt,
der im Ur-Opferwerk zum Werkstoff ward,
ein zwitt‘riger Riese von menschlicher Art,
ein gewaltiger Stier, - weißstrahlend-licht,
dess‘ Stoffleib der strahlende Geistgott ersticht;
Ur-Stier und Ur-Riese, - die Ur-Stoff-Idee,-
des Weltwirkers wähnliches Wagnis und Weh.
 
Doch der „Riese“ als Urwelt-Repräsentant,
erweist den erweiterten Weisheitsstand:
Gilt die Menschenform als der Machung Ziel,
sprang sie nicht aus des Zufalles Baustein-Spiel,
dann war ein Urbild, ein Vorbild vonnöten;
vor den Meeresfluten, - vor Morgenröten
war maßgebend, gottgleich und menschenhaft
der Geistleib, - der Stoffleib der Gotteskraft.
 
Was auch immer da einst auseinanderbrach,
als der Wirkel die Worte der Werdung sprach:
Ur-Stier - Ur-Riese – Ur-Kern - Ur-Ei,
in die fünf Elemente sprang es entzwei.
Fünf Grundwesenheiten erfüllen das All:
Erdreich - Luft - Feuer und Wasserschwall.
 
Das fünfte Wesen, die „Lebens-Wut“,
die „Menschen-Seele“ der „Gottes-Mut“,
der „Meister-Sinn“, die „Meister-Macht“,
vollendeter Fügung fruchtbare Fracht.
Dies Wesen waltet im fünften Wert,
es haust in den Tiefen bei Hel-Mutters Herd,
es haust in den Höhen beim Himmelsherrn,
es haust nicht nur jenseits, abseits und fern,
es geistert durch Menschengedank‘ und -gebärde;
der Mensch ist das Herz zwischen Himmel und Erde.
 
Gott und Geschöpf galten wesensgleich,
nur Stufen scheiden Bereich von Bereich.
Wie im Großen der Weltleib und Gottesgeist,
so ist Menschengefüge im Kleinen geschweißt.
Kein Baustein in irdischer, himmlischer Stätte,
den nicht auch der Mensch als sein Eigen hätte.
 
Zwei Grundwesen sind es, die sich ergänzen,
zwei Teilkräfte kreisen in kosmischen Tänzen;
Zweieinig das Ur, zweieinig sein Werk,
vom Himmelstitan bis zum menschlichen Zwerg.
Aus einiger Zweiheit brach Fünfheit hervor;
die Fünfheit umfasst den zweieinigen Chor.
Doch die Sechs auch singt seligen Zweigesang,
vereint mit der Fünf auf erhabendstem Rang.
 
Das „Urgod“ zerfiel in ein Die und ein Der,
wurde Urmutter Erde und himmlischer Herr.
Und beide sind Fünf, und beide sind Zwei,
trotz Teilung ist neuerlich Ganzheit dabei.
Der Erdgöttin Eins und vier Ströme dazu
macht Fünf für Audhumla, die Urmutter-Kuh.
Auch Vatergott Zwitter mit dreifachem Sohn
erfüllen der Fünf zahl gewünschte Union.
Das leibfreie Ur-All, das einst ungetrennte,
barg zwiefaches Wesen und fünf Elemente.
Und als sie erstanden, die Weltengestalten,
da blieb diese Ur-Art in allem enthalten.
 
Im Zeichen des Menschen liegt manches darin,
seine Rune erregt uns’ren Ratesinn:
Es flüstert die Fünf von freislicher Not,
vom Anfang der Ordnung, vom Opfertod;
sie greinet vom Grämen, gället vom Grauen,
das Menschenhände erschaffen - erschauen.
Gedeiht nicht den Besten im heiligen Drang
Verwundung am Weltbaum und Opfergang ?!
 
Doch die Fünf ist auch der Erzeugung Mal,
ist Seelen-Symbol und die Hochzeits-Zahl.
Es zwitschert die Zwei von Zwietracht, Zwist,
zwiespältig das Wesen des Menschen ist.
Weibliches - Männliches wirbelt und wallt,
zerschweifende Geister zusammengeschnallt.
Zwei Seelen zerstreiten des Menschen Brust,
der Heimstatt in Erde wie Himmel bewusst.
Die Geistseele möchte zur Höhe entflieh‘n,
die Stoffseele muss es zur Mutter hinzieh‘n.
 
Sechs heißt die liebende Zweierschwingung,
der Einklang der Dinge, die Alldurchdringung.
Sechs Kreuze ergeben des Sechssternes Zählung,
sechs Kreuzungen meinen: die „Allvermählung“.
 
Wie Ur-Atem Atman in Menschenart schweifte,
wie der Urleib Ymir als Menschenleib reifte,
so wurde der Erd‘ und des Himmels Kind
auch Urmensch Mannus ein Menschengebild‘.
Kunstreicher Schöpfungen Zielkreis und Kron‘,
der segnenden Gottheiten Tochter und Sohn,
ein einziger Leib, der sich hebend umschlang,
der glückselig die Glieder zusammen-rang;
der als Yama wie Ymir ein Zwitter war,
das erste zweieinige Urmenschenpaar.
Mit ihm, dem Gayomard, wuchs jenes Streben:
das erste menschliche, sterbliche Leben.
Mit ihm, dem Purussa, begann die Vermehrung,
der sterblichen Wesen gewaltige Gärung.
 
Urmensch und Urriese sind mythenverwandt;
einen menschlichen Leib trug der Urweitgigant.
Dessen stoffliches Menschen-Model im Großen
- vom Geiste zu Weltbausteinen zerstoßen -‚
im Kleinen als Urmensch wieder erwachte,
die edlen Geschöpfe der Erde erbrachte,
deren geistige Urbilder, Vorbilder schuf,
nach des inneren Geistgottes rätlichem Ruf
die Wesen mitwirkte wie der Riese den Raum,
ihn bestellte, den Welten- den Lebensbaum,
ihn immer noch hegt, ihn höher errichtet,
Nützliches züchtet, das Nied‘re vernichtet,
der erweckt und verwandelt, schaltet und waltet;
der gottgleiche menschliche Riese gestaltet !
Urmensch und Urriese sind urweltverwandt,
sie verbindet der Mythen beschreibendes Band.
 
Der Urmensch galt seiner Menschheit als Meister,
gestaltete er doch den Geist seiner Geister,-
der Lehnsherr des Lebens, der Leute-Vater,
seinen Kindern der Lehrer, Künder, Berater.
Er herrschte als Urkönig, sagt uns die Kunde,
in goldenen Weltalters glücklichem Grunde.
Sein Name nur schwankte im Zeitengang,
und dennoch erhielt sich des Urwortes Klang:
Mannus - Mennor - Manu - Menu,
Manus - Minos - Manes - Menes - Min.
Seine Züchtungen wollte er zähmend erzieh‘n;
er schuf die Geschöpfe, er schrieb die Gesetze,
er plante die Ordnung, verteilte die Plätze,
er pflanzte den Urkult, er pries die Kultur,
er legte zum Recht und zur Regel die Spur.
Der Urmensch erwuchs als Geistgottes Spross,
der Mensch ist des Godans Gebild‘ und Genoss’ !
 
„Narr und Närrin“, Stich vom Nürnberger Hans Sebald Beham,
1520-1550
 
Mit der Fasenacht wurde aus vorchristlichem Herkommen des Fruchtbarkeitfestes immer auch die Sinnenfreudigkeit in Zusammenhang gebracht. Im 16. Jh. war Pamphilus Gengenbach ein Autor von Fasnachtsspielen wie „Die Gouchmatt der Buhler“, 1521. Die „geuchmat“ ist die Gäuchwiese (Kuckuckswiese), die Liebeswiese. Hans Sebald Behams Kupferstich „Narr und Närrin“ zeigt das fasenachtliche Sexualthema in aller Ausgeprägtheit: „Narr und Närrin“ tragen die Hasen- oder Eselsohren, also werden ihnen Tiere zugedacht denen man sprichwörtliche Geilheit nachsagte. Die beiden fassen mit männlich rechter und weiblich linker Hand zu den Sinnbildern ihrer Geschlechtlichkeit, der Mann zur Penis-Wurst, die Frau zum Vulva-Krug. Auch der Hinweis auf den alkoholischen Enthemmungsgeist fehlt nicht, den hält der „Narr“ in Form der Wein- oder Schnapsflasche der „Närrin“ entgegen. Die schwirrenden Bienen weisen auf das Frühjahr bzw. etwa Mitte Februar hin.
 
Die Menschen erahnten des Urmorgens Glück,
sie lugten zum Quellgrund des Lebens zurück.
Mitspieler sind sie im mächt‘gen Geschehen,
sie wollen ihr weltfrohes Wirken verstehen.
Barlichsten Einblick vermag wohl zu bieten
die Rückkehr zum Ursprung durch rätige Riten.
Tiefmütiges Brauchtum ertrug sich in Treue,
es malte den Urmenschen-Mythos auf‘s Neue.
Die Zeiten durchziehen den endlosen Zirkel,
wie einstmals, so wirkt er, der ewige Wirkel.
Er lässt sich erfühlen, es lässt sich erfahren,
es muss sich den Enkeln der Ohm offenbaren.
 
Das jetzige Ich ist nur niederzustreifen,
das Urseibst der Seele mag sehen und schweifen.
In die Urhaut hinein, die Verbutzungen über,
und auf in den Trubel, drunter und drüber.
Setzt Flammenzeichen, jetzt wird nicht gezagt,
der Tod wird mit Fackeln vom Felde gejagt.
Und frönet den Lüsten, den uralten, frischen,
kommet, die Kleider und Körper zu mischen.
Ihr seid ein Geblüt, ein göttlich‘ Gespann,
ein Leib war der Urmensch aus Frau und Mann.
Nun fahret zur Freite, entfesselt das Fieber,
nun gibt sich das Liebchen dem lobenden Lieber.
Und gach, bei Gogel und Geil und Gesmutze,
da findet der Fesel, der Fisel die Futze.
Und ehret die Brezel, das buhlende Band,
und brecht sie gemeinsam mit bräutlicher Hand.
Holdschaft und Hochzeit sollet ihr halten,
der kindernde Kessel darf nimmer erkalten !
 
Mit dem Mummenlaufen, dem Maskentreiben,
lässt sich die Tierwelt beleben, beleiben:
Da quellen hervor aus Buden, aus Bansen,
die Hänsele, Hansel der närrischen Hansen,
mit langen Schnäbeln, mit Flügeln und Stelzen,
mit zierlichen Hörnern und zottigen Pelzen.
So küret die keckesten, künstlichsten Köpfe,
schuf doch das Urelternpaar die Geschöpfe:
Adebar - Öchslein und Faselbock -
Guller und Gäulchen im goldroten Rock.
Den‘ Strohbär’n bespotten die Saubloderträger,
es schallen die tanzenden Schellenschläger.
Sie springen hoch auf mit Schwing und Schwung,
den ersprösslich-ersprießlichen Fasnet -Sprung.
„Flitz Flachs, so streck dich wie Faseischrecken !“
und „Fülle wie Feist !“ allen gaffenden Gecken.
Sie zeigen den Pflug, der die Schollen zerteilt,
sie schwingen die Pritsche, die Taubheit heilt,
denn Frucht möge so wie in Frühzeiten werden
für Menschen und Vieh und Pflanzen auf Erden !
 
In Schmalz und Schmer mögt ihr euch schmiegen,
die Borde sollen vom Backwerk sich biegen:
Schlemmen, Schlürfen, Schmausen, Schmatzen, -
bei Kuchen und Krapfen, beim küstigen Atzen,
da lasst euch von guten Gedanken geleiten
der freien, der fetten, der urfernen Zeiten !
 
Schelme und Schnurrer schießen koppheister,
rambutzen herum um den Britzelmeister.
Schrate, Schrawatze, die ratzeln und rasen
mit rußig verschwärzelten Wangen und Nasen.
Verkappte Gesellen beim schrulligen Schalten
und Schembartläufer und Schimmergestalten.
Possenreißer - Fazvögel - Gugelnarren
in Kähnen und Barken auf kleppernden Karren.
Und all-überall auf den gastlichen Gassen
des Gampelheeres gar galmende Massen.
So hält Urkönig Mennor Zusammenkunft
mit der eigenen Gilde, der Gogelzunft.
So froh ward des Manniscos Minne gedacht
mit dem Fest „Aller Menschen Faselnacht“.
 
Die „Heilige Fasnacht“, die Fruchtbarkeitsfeier,
durchwaltet von Mannus, dem weckenden Weiher,
wann soll sie erfolgen, wie ist‘s zu erfahren,
was weisen die Runen, die rätigen, wahren ?
Sie können den kultischen Lichtgang bekünden,
sie meinen, der dritte Mond muss entzünden,
dann fuhren zum füglichen Fasen die Freien,
den Fruchtbarkeitseltern die Leiber zu weihen.
Man blähte im barzenden Kultmahl die Bäuche,
so wispern die Runen, so währen die Bräuche.
Und dass es so bleibe, wie es so sei,
narro-alaaf, helau-tandaradei !
 
Der dritte Neumond im Runenjahr
umwandert die Mitte des Februar.
„Mannus“ steht hier als Kalendermal,
seine Fünf ist die heilige Minnezahl.
 
FASELFEIER-FASNÄCHTE füllten sein Fest,
„Fasching“ ist nur noch ein kläglicher Rest.
Gerad‘ wie der „Valentins“ -, Friedeles-Tag,
der noch heute an Minne erinnern mag.
Wie die Vögel da freien und sich vermählen,
mochte der Mensch seinen Lenzbuhlen wählen.
Sein Lehnchen, sein Liebchen mußt‘ er erkiesen,
so hatt‘ es das Weistum des Mannus gewiesen.
Friedel und Friedele wollten sich finden,
den Liebesknoten der Treue zu binden.
Die Brezel, ihr zeitrechtes Kultgebäck,
der Mannus-Rune verschlung‘nes Versteck,
sie galt als gebackenes Gottessymbol,
das Liebende labt‘, ihrer Liebe zum Wohl.
Und lässt sich ein doppeltes Kernchen erhaschen,
ein Zwillingsnüsslein, gemeinsam vernaschen,
gilt das ihrer Liebe als lobendes Zeichen,
da ja „Vielliebchen“ den Liebenden gleichen.
 
Astrild, der Amor, ein eifernder Elf,
der Lebensbewahrung behender Behelf,
der Minnezunder entzündende Engel,
der Minnebrände anblasende Bengel,
der anbändelnde Minnebande verflicht‘,
der vier Augensterne zusammenmischt.
Er lässt so verwirrend die Wimpern wippen,
er huscht als ein Lächeln über die Lippen,
er hockt in den Grübchen holdseliger Wangen,
er hält mit dem Kehlband der Liebsten gefangen
Wann läge er leistungsbereiter auf Lauer
als zur Fasel-Dult, zur Fasnachtsdauer ?
 
Gelöst ist das Rätsel der „unreinen Bräuche“,
als scheele, widernatürliche Scheuche.
Dem Trauten, der Trauten gilt Trautschaft rein,
dem Gemeinen allein scheint Gemeines gemein.
 
Beda kannte den Feber als „Kuchenmond“,
wird doch das kultische Schmausen belohnt;
fettes Gebäck ward in Fülle verzehrt,
die Kräppel noch heuer auf  Fasching begehrt.
 
Zu den Fruchtbarkeitsriten aus urfirnem Denken,
die die festliche Folge im Februar lenken,
gehörten die „Lupercalien“ auch,
ein vom Urvater Zwilling gestifteter Brauch,
der dem göttlichen Faunus, dem Inuus galt,
ein Fruchtbarkeitszauber in reinster Gestalt.
Nach festlichem Schmaus sind Burschen gerannt,
sie peitschten den Frau‘n die geöffnete Hand.
Ob mit Lederstreifen, mit „Lebensstecken“,
das „Fuen“ sollt‘ fruchtbare Kräfte erwecken.
 
Ist die arische Urhoffnung noch zu erfahren,
der Frühelternglaube vor vieltausend Jahren ?
Hinter schweren Nebeln schimmert ein Licht,
aus Runen formt sich ein fernes Gesicht.
Altwürdige Weisheit, - wie könnte sie werben,
sie liegt ja zerfallen wie Spiegelscherben.
Und wer sich zurücksucht zum Urgeisteswesen,
muss zuerst seine Splitter zusammenlesen.
 
Der „Mannus-Faselnächte“ tief-mütiger Sinn
liegt allein in der Bitte um Lebensgewinn.
Der festliche Ritus, der Fruchtbarkeitsreigen,
sollte den Anfang der Menschheit erzeigen,
um durch Wiedergabe in kultischen Spielen
erneuerte, nährende Kraft zu erzielen.
 
Der Urzwilling Mensch zerfiel in zwei Teile,
im Weltmorgengrauen zur wackersten Weile.
Ymir/Mannus zerstrebte zu Asker und Embla,
zu Mahryane und Mahre wuchs Gayomard/Yima,
Manus/Purussa wurde Purussa und Nari,
aus Yama/Manus sprossen der Yama, die Yami.
 
Das Ur-Paar gebar Gemensch und Getier,
ein Gezof, ein Gezücht von Geziefer, Gezier,
vom Edling hinab bis zum elenden Eischen,
vom brenkenden Blanken zum Blinden und Bleichen.
So erfüllte die Lande, die Lüfte, die See
jene zwiefache, sterbliche Schöpfungs-Idee.
 
An den Aufgang lebendiger Lust zu erinnern,
mit den lustigen Larven von Lebensgewinnern
an‘s Morgenerwachen des Menschen zu mahnen,
zu gedenken der menschlichen, tierischen Ahnen,
das war des ansehen Ur-Festes Art,
bis heute blieb sie im Brauchtum bewahrt.
 
Ist die Faschingsfeier vollkommen und fein,
so ragt an der Spitze der närrischen Reih‘n
der Mannus-Mime, der Mummenheerkönig;
und ist sein Gefolge vollzählig, volltönig,
so steht ihm zur Seite die liebliche Braut,
mit der Rolle der Lebensregentin betraut.
Und beider Hofstaat in buntester Breite
lobt laut seiner Lebenseltern Geleite.
Das Faselvölkchen im freidigen Eilen,
die Wesen der Welt, im frohen Verweilen,
entledigt der eigenen leiblichen Enge,
im menschlichen, tierischen Maskengemenge.
 
Sind doch alle Geschöpfe Abkömmlinge, Kinder
von Urkönig Mannus, dem Leben-Erfinder.
Es fahren die Schemen, es fallen die Schleier,
Fruchtbarkeitszeichen bezieren die Feier:
Vesel und Vüdel, sie sollen sich finden,
Lingam und Yoni im Rausch sich verbinden.
Könnten Sinnbilder klärlicher, bärlicher sein
als „Weggi und Wurst“ und wonniger Wein ?!
 
So wie einstmals die Urgeschöpfe entstanden,
weil sich getrennte Gewalten verbanden,
so wird man zum Ende der weltlichen Zeiten,
wenn die Ur-Gegensätze zusammengleiten,
die Wiedererweckung der Toten erwarten,
die Leibauferstehung der Ahnen und Arten.
An Erstzeit und Endzeit erinnert‘ das Fest,
das die Manen und Masken ermuntern lässt.
Denn beider Muntherr ist Mannus, der Meister,
seine Neumondnächte durchmunkeln die Geister.
Unholde und Holde im zwiefachen Schwarm,
sie hüten das Heil, und sie hecken den Harm.
 
Doch so dereinst endlich nach Letztem Gericht
die Gewalt der garstigen Geister zerbricht,
so wird auch in jährlicher Fasnet-Nacht
der Tüsternis Tücke zu Tode gebracht.
Der „Böse Sämann“, nun wird er vertrieben,
der „Tod wird verjagt“ mit heiteren Hieben.
Wenn am „Funkasonntig“ die Funken fleugen,
prasselnde Brandstöße nieder sich beugen,
auf Scheitertürmen die Schrate Zerspringen,
dann musste und muss noch das Faseln gelingen.
 
Nicht nur Stabrunenwissen und Skaldengesichte,
vom „Faselfest“ zeugen urfirne Berichte:
Es war Frühlingsereignis für Aryaner-Iraner,
im Mittelpunkt stand Yima-Manus, der Mahner,
der Urkönig Manu, der Urmensch, der Künder,
all-artlicher - arischer Artenbegründer,
mit Menschen- und Maskengefolge in Menge,
bar sonstiger Sitte und züchtiger Strenge.
Dieser Brauch, der im alten Iran sich erweist,
aus den Quellen ur-arischen Glaubens gespeist,
er dauert und dauert und will nimmer dugen,
doch erkennen ihn nur noch die Runen-Klugen.
 
PITA-MANU, Vater-Mannus, die Lebens macht,
aus urgöttlicher Liebe ins Licht gebracht;
allgöttlich er selbst, - dem Höchsten gesellt,
wahrlich, wahrhaftig der Herr dieser Welt.
Der Menschen-Erzeuger, - der Leben-Entzünder
auch seiner unmündigen tierischen Kinder;
der zuerst den Edlen, den Arier, erschuf,
fünf Völker folgten dem Schöpfungsruf;
der als zweiten den dunklen Bruder erzeugte,-
der zum Tierwesen hebend sich niederbeugte.
Yama, Yima, Ymir, der Zwitter genannt,
der das Heilfeuer brachte in Menschenhand,
der als Prometheus seine Schöpfung belehrte,
den Gottesdienst und das Opfern erklärte.
 
Sein Merkbild war Mani/Mano, der Mond,
der entstehend und sterbend hoch droben thront.
 
Friedensherrscher war er im „Gold‘nen Äon“,
Gottvater, Gottgeist, gott-menschlicher Sohn;
eine Form der Erscheinung vom höchsten Heil,
des unsterblichen Geistes scheinsterblicher Teil.
Anfänglichster Mensch, - der all‘erste „Tote“,
Mehrer und Mittler, - mensch-göttlicher Bote;
leibteiliges Leben im „tödlichen Muss“,
fürstlicher Führer im kreisenden Fluss,
der des Jenseits Gelände als Lehen behält,
dess‘ Reich ist von dieser und jener Welt.
Seinem Opfer entwuchs die Erlösungsfrist,
Zerfall ist der Urgrund von allem, was ist !
 
Der „sterbliche Erste“, urzeitlich gestorben,
im Tod hat er Himmel und Hoffnung erworben.
Er ging in des Allgrundes glanderndes Glück,
mit glansternden All-Augen schaut er zurück.
Ward der Urmensch getötet und wiedergeboren,
sind auch seine Stämmlinge nimmer verloren.
Denn konnte er sterben und geistneu ersteh‘n,
dann dürfte kein Sterblicher dauernd vergeh‘n !
Wer den Heilsplan weiß, entgeht dem Verderben,
sei doch allen gewähret, das All-Sein zu erben !
 
Sein Amt ist‘s, die ehrbaren Ahnen zusammen,
seine Enkel zu schirmen, die ihm entstammen.
Ist der Alte doch Atte der saeligen Auen,
ihm folgen die Seelen im frommen Vertrauen.
Sie fahren ihm nach zu den flätigen Fluren,
sie suchen ihr Urselbst auf eigenen Spuren.
Sie betreten die Bahn ohne Bitternis,
zu Hügeln, zu Himmeln, -wer weiß es gewiss ?
Hin zum wähnlichen, westlichen Totenland,
der Agetstein hilft wie der Agamant,
den Strählkamm gefasst, die Schuhe gebunden,
so wird wohl der wirsige Weg überwunden.
Der Vorfahren Vater nimmt füglich sie auf,
zum Lager der Leiblosen lenkt er den Lauf
Er ist der Beschließer mit Schlüsselgewalt,
öffnet Riegel und Barren zum Aufenthalt.
Seine Kinder kommen, die Klausen zu füllen;
der Urvater wird sie in Frieden umhüllen.
 
Gott-menschliche Urriesen rufen, - beraten,
sind Beibild und Bate, der Menschheit zu baten.
Der Urmensch war Bürgel und Bannermeister,
sein Bluotmal die Bürgschaft für Seelengeister.
Da er sterbend, vergehend in Sternräume stieg,
wuchs aus Wunden des Lebens des Lebens Sieg.
Es reckte sich „riesig“ aus leidvollem Rumpf
des leib-überwindenden Geistes Triumph.
Jenen Mustergedanken menschgöttlicher Macht,
der Urmensch als Maßstab, er hat ihn vollbracht.
 
Erscheinungsformen von ew‘gem Gehalt:
die Manu-/Mannus-, Yima-, Purussa-Gestalt,
in wahnlicher, wahrender Weitwiederkehr,
als „Christos Osiris“, als Orpheus, - so hehr,
als der „wahre Mensch“, als der „Weiße Krist“,
in dem Geistherr mit Lichtsohn vereinigt ist,
um den Menschenkindern zu rufen, zu raten,
sie zu ergeistern zu ehrsamen Taten;
die Tennen des tirmigen Reichs zu bereiten,
dorthin, in den ewigen Glanz zu geleiten.
 
VATER MANNUS gemahnet uns mannigfalt,
zur Ahnen-Verehrung, - ehrwürdig, uralt;
die Ahnen-Verachtung, er müsste sie ahnden,
zur Vorzeit führt er rückratendes Fahnden,
die Endzeit umsinnen, trägt er uns auf;
oh schützet der Sippen verletzlichen Lauf.
 
Da die Sichel des „Fasend“-Mondes nun blinkt,
der dritte Wädel die Höhe umschwingt,
der Faselzeit zweiter Manot erscheint,
im Festspiel sich Ur- und Endalter eint,
im Faschingstreiben die Geister sich finden,
um Enkel an Ahnen durch Freude zu binden,
da ist noch der andere Festteil vonnöten,
die hehren Ureltern, die herrlich erhöhten,
an ihren Gräbern und Grüften zu ehren,-
so raten die Regeln der rätlichen Lehren.
Zu den Hügeln der Ahnen ziehet hinaus,
trefft die Umtrauerten heute beim Schmaus,
beim tauglich-tröstlich-einträchtigen Trank;
begeht die „Dadsisas“, den Toten zum Dank,
gebt Liebesbeweise, - legt leckere Gaben:
Habermus, Backwerk und honige Waben.
Lasst linde, lobpreisende Lieder erlauten
unsern heimgegang‘nen herztreuen Trauten.
Und lüpfet die Lanken, treibet den Tanz,
krönet den Grabstein mit sinngrünem Kranz.
Sagt Abschied den Ahnen, dem Alfenheer,
schon werden die Schattenseelen so schwer;
der Jahrlauf belädt sich mit steigendem Licht,
da leisten die Leiblosen leichten Verzicht.
 
Der mythische Mannus ist zu erfahren
als Meister der Mahnen, Leiter der Laren.
Ur-Runen, - geringt zum Kalenderkreis,
erbringen des Ureltern-Festes Erweis.
Die Altrömer achteten froh ihre Ahnen,
zur üblichen Jahrzeit der Indogermanen.
Das Toten-Opferfest der Familienschar
glich dem Fest der „Feralien“ im Februar.
Große Schmausgelage schlossen sich an
mit dem einig-vereinten Verwandtschafts-Clan.
 
Als „Seelen-Gedenk-Mahl“ blieb es bestehen;
Verrückte versuchten, den Sinn zu verdrehen.
Eine „Petri-Stuhl-Feier“ sollt‘ es verdrängen
mit zähen Lügen und leidigen Zwängen.
Man machte zum Pförtner am Himmelstorplatz
den „Schlüsselpeter“ als Mannus-Ersatz.
Doch ewiglich ist kein Dreh wegzutrügen,
die Lichtrunen helfen die Lügen besiegen.
Das Volk hat die Feier nie völlig verkannt
und „Glückseligen Festschmaus Petri“ benannt.
 
Doch das Volk, von Kirchengesetzen bedrängt,
hat Verschiedenes wirr durcheinandergemengt.
Nordfriesen verstanden nur schlecht die Lektion,
ihnen wurde der Peter zum Winterdämon.
Wenn die Fackelläufer zum Deiche rennen,
heißt das: dem „Peter de Bort afbrennen“.
Oder legte man ihn auf die Lenzo-Gestalt,
die es nun zu erschrecken, zu wecken galt ?
Westfälische Sitt‘ war von ähnlicher Art,
des Urglaubens Brauchtümer blieben bewahrt.
Hämmerchen schlug man an Pfosten der Türen,
hervor sollt‘ der „Sommervogel“ sich rühren.
Kinderscharen zogen von Haus zu Haus
und klopften die schädlichen Geister heraus.