Der Sonnenreiter von Möjbro
 
 
Der Runenfachmann Wolfgang Krause besprach den Möjbro-Fund (Uppland / Schweden) in seinem Buch „Die Runeninschriften im älteren Futhark“, 1966, unter Position 99. Nach den Berichten stand der prächtige, 2,45 Meter hohe und an der Basis 1,50 Meter breite Bild-Schriftstein (etwa aus den Jahren 5.500 n.M. bzw. 500 n.0), im Zentrum eines Ringes von 16 inschriftlosen Steinen.

 
Sowohl der abgebildete, mit Schwert und Schild bewehrte Kämpfer, wie auch die darüber befindliche zweizeilige Runeninschrift, „bewegen“ sich von rechts nach links, - folgen also dem altgermanischen ODING-Schriftrichtungsprinzip der Linksläufigkeit.

 
Dass es sich beim Reiter um eine Mythengestalt, sehr wahrscheinlich um den göttlichen Sonnenhelden handelt, ist nicht nur aus dem demonstrativ hochgehaltenen Rundschild, dem bekannten Sonnensinnbild ersichtlich, sondern auch aus den Sonnen-Spiralwirbelmustern, die auf dem Schild nach sorgfältiger Untersuchung erkennbar wurden. Diese altreligiöse Bedeutung wird auch der Grund dafür gewesen sein, dass der Pfarrer von Hagby, 1730, das prächtige Stück mit der Bildseite nach oben vor seinen Brunnen legen ließ, um ihn damit zu entehren, die Inschrift von den Mägden abtreten zu lassen und vergessen zu machen.

 
So wie die Sonne immer erneut und unbeirrbar aus den Tiefen des Wintergrabes aufwärts steigt, so ist auch die Inschrift von unten nach oben zu lesen. Die untere Zeile ist die Erste. Sie besteht aus der Runenfolge FRAWARADAZ. Übrigens: der Endbuchstabe „Z“ wird in der Runenliteratur auch als großbuchstabiges „R“ geschrieben, weil es sich dabei um einen aus dem altgerm. End-„Z“ hervorgegangenen R-Laut handelt.

 
Der Name FRAWARADAZ entspricht dem althochdeutschen Männernamen Frorat und bedeutet soviel wie „hurtiger/schneller Reiter“, - aus ahd. frao, fro = froh, und altnord. frar, frawaR = hurtig.

 
In nächster Zeile stehen die Runen: ANAHAHAISLAGINAZ, die in einzelne uraltnord. Wörter zu unterteilen sind. ANA = auf; HAHA(Z) (germ. hanha) = Renner / Hengst / flinkes Pferd; SLAGINAZ = erschlagen. Die letzte Z-Rune wurde offensichtlich aus Platzmangel oben links über die zweite Zeile gestellt. Diese Rune scheint eines der wichtigsten Heilszeichen des hyperboräischen Nordens gewesen zu sein; schon auf dem trichterbecherzeitlichen Krug von Halle (5. Jt. v.0) und in den bronzezeitlichen Felsbildern Schwedens (1.500 v.0) ist sie als Sommerchiffre zu finden. Mit ihren drei hochgereckten Ärmchen versinnbildlicht sie recht augenfällig das wiedererweckte, aufstrebende Leben. So wird es dem Runenritzer des Möjbro-Steines gut ins Konzept gepasst haben, dass er diese Schreibrune gleichzeitig als Sinnzeichen hoch auf den linken Gedenksteinplatz stellen musste/durfte.
 
Die Doppelzeile erinnert also höchstwahrscheinlich an die jahresmythische Untat am Sonnenreiter Frorat, dem germ. Licht- und Fruchtbarkeitsheros, der als ahd. Ingo-Fro, hochmittelalterl. als Frikko und altnord. als Ingvi-Freyr in die spätere Literatur einging. Das Pferd des Freyr heißt Blödhughöfi, Blutighuf (nach Skaldskap.). Das Reittier des Frorat zeigt in seiner Haltung deutlich die schmerzhafte Verletzung. Die beiden Hunde bzw. Wölfe vor dem Reiter sollen wohl die beiden mythischen Bestien Hati (Hasser / Verächter) und Sköll (Spötter) sein, welche die Lichtgestirne Mond und Sonne (auch den Sonnen-Hirsch) verfolgen (Gylf. 11 / Grm. 39).
 
ROSS BLUTIGHUF
 
Das Ross ist das Gute, das Ross ist das Ganze,
im Gipfelgang glüht es mit göttlichem Glanze.
Gilt dann Gottes Gesetz im Zu-Grunde-Gehen,
muss reisendem Rösslein ein Unheil geschehen.
 
Zur Jahres-Lichtgleiche, im Abwärtsschwenken,
wird das feurige Fohlen den Fuß verrenken.
Dann tummeln sich Trug-Disen tanzend im Tal,
sie wünschen dem Traber Verwundung und Qual;
er strauchelt und stürzt im schlimmen Omen
auf fährlicher Falle von garstigen Gnomen.
 
In die flinke Ferse fährt spitzig ein Span,
einer grässlichen Giftviper zehrender Zahn.
Das Gottestier zieht mit entzündetem Bein
unter schweißender, schwärender Wunde Pein.
Nun trottet das Jahrross im taumelnden Trab
und trägt seine Zeit in die Dämm‘rung hinab.
 
Hallt im Herbste des Totenhorns dumpfer Ruf,
hat der Heiland den blutenden, hinkenden Huf.
Auf den Tod ist der Helligkeit Heil versehrt,
Blutighuf heißt dann des Herrgotts Pferd.
„Blodhughofi“ gehört dem sonngöttlichen Fro,
der reine Balder doch reitet den geradeso.
Wird das Jahr zur greisen, grauen Schnurre,
gerät das goldglänzende Gäulchen zur Gurre.