Werner Krauß das Schauspiel-Genie
 
DAS GENIE DER MIMEN
 
Der größte Mime des Jahrhunderts,
war wohl der Franke Werner Krauß.
Dem hohen Meister der Verwandlung
gebührt der schönste Ehren-Strauß.
 
Meiste Mimen mimen nur die Mimen,
bisschen hübsch und bisschen Gripps,
das reicht zumeist für die Karriere
und für den seichten Lebens-Schwips.
 
Der Rubel rollt für rührselige Rollen,
Damen machen es mit Bauch und Bein,
Kerle kokettieren mit den Muskeln,
alles ist nicht mehr als fauler Schein.
 
Im Alter wird man seriös und geistig,
ob Mann, ob Weib, man gibt sich „tief“,
die reife Dame wird gern esoterisch,
der Herr nach William Shakespeare rief.
 
Dann hörte man in Runden resonieren,
mit hohen Brauen und gesenktem Kinn,
wie sie den Bravo-Beifall repetieren,
zu ihrer Kunst, trotzt magerem Gewinn.
 
Anders war Werner Krauß, der Könner,
das dämonisch-charismatische Genie,
kein zweiter wurd‘ wie er Repräsentant
der höchsten Schauspielkunst-Magie.
 
Krauß spielte treffend Arier und Juden,
er gab sein Herzblut für das hohe Spiel.
Bis ins Detail perfekt wirkten Gestalten,
ob Herr, ob Schlitzohr, ob Schlemihl.
 
In hoffnungsvollster deutscher Zeit
hob Werner Kraus die Kunst hinan,
und keiner reichte je an seinen Zauber,
auf seinen Bühnen war er ein Titan.
 
Werner Krauß (1884-1959) war ein Schauspieler der als charismatisches Genie und größter Schauspieler seiner Zeit mit unglaublicher Verwandlungskunst galt. Andere Schauspieler, wie beispielsweise die beliebten Theo Lingen, Heinz Rühmann oder Hans Albers, stellten eigentlich immer nur den gleichen Typ dar, der ihr geschätztes Markenzeichen bildete. Krauß aber verwandelte sich in unterschiedlichste Charaktere; er spielte sie nicht, er wurde sie. Den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte er in der schlesischen Hauptstadt Breslau. Er absolvierte die dortige Lehrerausbildung sowie das Lehrerseminar in Kreuzburg, doch er entschied sich - mit sicherem Gespür für sein Talent - für den Schauspielerberuf und erhielt seine erste Rolle an der Wanderbühne Wagner zu Breslau, die auch in weiteren deutschen Städten auftrat. 1913 erhielt er zunächst kleinere Rollen am Deutschen Theater Berlin. Schnell spielte er sich nach vorne. Schon nach Ende Weltkrieg I. stieg Krauß zum bewunderten Theater- und Filmstar auf. Er verkörperte die großen Figuren des Theaters wie Hamlet, Wallenstein, Mephisto, Franz Moor in „Die Räuber“, Jago in „Othello“. Zu Beginn des Dritten Reiches erhielt Krauß ein Engagement am Burgtheater Wien. Seit 1916 spielte er in 104 Stummfilmen. Seit der Erfindung des Tonfilms war er mit seinem Freund Emil Jannings und der Elite der deutschen Schauspieler jener Zeit in den bedeutendsten Dokumenten der neuen Kunstgattung vertreten. Er wurde vom italienischen Staatslenker, dem Duce Benito Mussolini, empfangen, wie auch von Joseph Goebbels, der sich um die deutsche Filmindustrie hoch verdient machte (ohne ihn hätte es im Krieg keine deutsche Farbfilmentwicklung gegeben). Krauß wurde zum Staatsschauspieler und stellvertretenden Präsidenten der Reichstheaterkammer ernannt, wodurch er zu einem wichtigen Kultur-Repräsentanten des NS-Staates aufstieg. Einige der Beurteilungen seiner Person: Die galizische Schauspielerin Elisabeth Bergner bezeichnete Krauß als den „größten Schauspieler aller Zeiten“ und „dämonisches Genie“. Der jüdische Herausgeber der „Weltbühne“ Siegfried Jacobsohn schrieb 1924: „Vor diesem Reichtum an Phantasie verharrt man geblendet und hingerissen“ und der jüdische Theatermann Max Reinhardt beschrieb Krauß als Schauspieler „mit einer sich seltsam mitteilenden autosuggestiven Kraft. Man ist festgehalten von einer unsichtbaren Kraft, körperlich berührt. Sein Gesicht füllt das Theater.“ Der Historiker Friedrich Weissensteiner schrieb: „Werner Krauß besaß eine ungeheure Suggestionskraft, er war ein Verzauberer, ein Magier, der das Publikum in seinen Bann ziehen und hypnotisieren konnte. Um einen Charakter darzustellen oder eine Situation blitzschnell zu erhellen, brauchte er einfach nur da zu sein.“ Auf die Frage, warum er Schauspieler geworden sei, antwortete Krauß: „Um nicht ich zu sein“; seine Schauspielerei beschrieb er wie folgt: „Ich muss es hinter mir geigen hören wie der Tod, wenn ich spiele. Dieser zweiten Stimme hinter meinem Ohr spreche ich nach. Wenn ich aber die leiseste Schwankung zwischen dem Geigenton und meiner Melodie und meinem Rhythmus spüre, dann weiß ich, dass ich mich nicht in der Gewalt habe, dass meine Saiten nicht gespannt sind und ich nicht gestimmt bin.“ Werner Krauß wandte sich schon Anfang 1916 dem Film zu. Seinen internationalen Durchbruch schaffte Werner Krauß 1920 mit dem legendären Stummfilm „Das Cabinet des Dr. Caligari“. Es folgten eine Vielzahl filmischer Triumphe. Es gelang ihm, Helden und Charaktere, komische und tragische Rollen mit gleicher Vollendung zu spielen. Gegen Ende des Krieges ist Krauß in die „Liste der Gottbegnaden“ aufgenommen worden, welche einen besonderen Schutzstatus erhielten, weil sie unersetzlich schienen.
 
Mitten im Weltkrieg II. spielte Werner Krauß in dem viel besprochenen antijüdischen Streifen „Jud Süß“, in welchem er sechs verschiedene Judentypen verkörperte. Das war der Grund für die Siegerbehörden nach dem Krieg, gegen Werner Krauß das Berufsverbot anzuordnen und ihn auf eine Verfahrensstrafe von 5.000 Mark zu verurteilen. Der Jude Gad Granach schrieb: „Werner Krauß war zwar kein Nazi, aber immer schon ein wütender Antisemit gewesen (…) Den Shylock konnte ein Schauspieler so spielen, dass die Leute ergriffen waren, er konnte ihn aber auch so spielen wie Werner Krauß. Bei ihm sind die Leute jeden Abend als Antisemiten aus dem Theater gegangen.“ Der Jude Fritz Kortner meinte: „Ein Nazi und ein Schweinehund - aber ein großer Schauspieler.“ Der antipatriotische Schauspieler Hans Söhnker gab an: „Über den einsamen Rang des Künstlers Krauß gibt es keine Diskussion. Nur an dem Menschen scheiden sich die Geister.“ Der jüdische Schriftsteller Lion Feuchtwanger, der Autor des Romans „Jud Süß“, gab an: „Ich kenne Werner Krauss persönlich und von der Bühne her. Ich würde es bedauern, falls die deutschen Bühnen diesen großen Künstler verlören. Andernteils ist Werner Krauss ein überaus gescheiter Schauspieler, der mehr aus dem Verstande als aus dem Herzen heraus schafft. Es ist mehr als unglaubhaft, dass er sich der Wirkung seiner Darstellung niederträchtiger Judentypen nicht von vornherein bewusst gewesen sein sollte. Diese Meinung wird von vielen hier in Amerika lebenden Schriftstellern, Theaterleuten und Kritikern geteilt, die Gelegenheit hatten, ihn auf der Bühne und im Leben zu sehen, und die seine Tätigkeit während der Nazi-Jahre verfolgten.“ Die jüdischen Stimmen wollen bei ihren negativen Beurteilungen grundsätzlich beiseitelassen, wie viele jüdische Regisseure ausgesucht deutsche Schauspieler miese deutsche Typen spielen ließen, aber die Selbstgerechtigkeit ist eine weit verbreitete Untugend.
 
1946 wurde Krauß aus Österreich ausgewiesen. Er hat sich zeitweise als Schäfer über Wasser gehalten. Schließlich ist er ab 1948 erneut Mitglied des Burgtheaters geworden. In Deutschland hatte er 1950 als König Lear seinen ersten Nachkriegsauftritt bei den Recklinghausener „Ruhrfestspielen“. Am Berliner Theater am Kurfürstendamm fand im gleichen Jahr, trotz heftiger Demonstrationen der Jüdischen Gemeinde und sich anschließender Studenten, ein Auftritt mit einem Ibsen-Stück statt. Bis zu seinem Tod im Jahre 1959 war der große Meistermime am Wiener Burgtheater tätig. 1955, bei der Wiedereröffnung des Burgtheaters im sogenannten „Jahrhundert-Don-Carlos“, spielte er den  König Philipp II.. 1951 erhielt Krauß wieder seine deutsche Staatsbürgerschaft und 1954 erreichte seine Rehabilitation, mit der Verleihung des „Bundesverdienstkreuzes“, ihren Höhepunkt. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof.  Werner Krauß Auszeichnungen sind: Österr. Kammerschauspieler u. Ehrenmitgl. d. Wiener Burgtheaters; Preuß. Staatsschauspieler; Gr. Verdienstkreuz d. Verdienstordens d. Bundesrepublik Dtld., 1954; Ifflandring (1954), Ehrenring d. Stadt Wien.