20.03.2022
 
 
Das Museum „Quintana“ in Künzing, Lkr. Deggendorf/Bayern präsentierte ab 2019 den Frauengrabfund aus dem Gräberfeld von Niederpöring. In einer „interaktiven Multimediastation“ wird die Bestattung in der Jungsteinzeit anschaulich gezeigt. Glanzlicht ist die Büste der „Toten von Niederpöring“, die Rekonstruktion aus Funden im Gräberfeld. Es handelt sich um eine Frau mittleren Alters, vermutlich in gehobener Stellung, deren Kopfschmuck aus den Gehäusen von 400 der heute seltenen Donaukahnschnecke bestand. Das war die Veranlassung, die Steinzeit-Dame spaßhalber „Schnecki“ zu taufen. Man kennt die Bestattung eines erwachsenen Mannes, aus dem Salzmünde, Saalekreis, der Salzmünder Kultur (ca. 3.400-3.100 v.0), neben dem Dutzende von Flussmuscheln lagen. Den Muscheln und Schecken müssen also gewisse Kräfte beigemessen worden sein. Das Gräberfeld von Niederpöring stammt aus der Zeit der ältesten jungsteinzeitlichen Kultur Süddeutschlands, der sogenannten Linienbandkeramik (5.500-5.000 v.0). Auf dem steinzeitlichen Friedhof beerdigten die Nachfahren der ersten Ackerbauern, die ungefähr 500 Jahre zuvor aus Anatolien über den Balkan eingewandert waren, ihre Verstorbenen, denen sie Beigaben wie Schmuck, Werkzeug und Keramik in die Gräber gaben. Durch die Lage am Ortsrand von Niederpöring, an einer steilen Terrassenkante zur Isar hin, wurde der Großteil des Gräberfelds, das ehemals sicherlich deutlich mehr Gräber umfasste, im Lauf der Zeit weggespült. Einer glücklichen Fügung der Geschichte ist es wohl zu verdanken, dass sich mit der entdeckten Grabgruppe von sieben Bestattungen anscheinend die am reichsten ausgestatteten Gräber des Friedhofs erhalten haben, von denen besonders die Bestattung der Frau mittleren Alters - als „Befund 561“ - herausragt. Am Kopf der Verstorbenen konnten die Reste eines Kopfschmucks aus 207 Gehäusen der heute seltenen Donaukahnschnecke festgestellt werden, die mit einem Band rund um den Hinterkopf befestigt waren. Ursprünglich waren an dem Band, das vermutlich aus Leder bestand, rund 400 Gehäuse befestigt. Derartiger jungsteinzeitlicher Schneckenschmuck ist, in schlichterer Ausführung, nur aus insgesamt sieben anderen jungsteinzeitlichen Gräbern in Süddeutschland bekannt. Es liegt daher nahe, in der „Toten von Niederpöring“ eine Person gehobener sozialer Stellung zu vermuten. Um den aufsehenerregenden archäologischen Fund nachhaltig der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, wurde 2017 unter der damaligen Leiterin des Museums Quintana Dr. Eva Bayer-Niemeier in Kooperation mit der Kreisarchäologie Deggendorf (Dipl.-Ing. Stefan Hanöffner M.A.) und Dr. Joachim Pechtl als wissenschaftlichen Spezialisten für die ältere Jungsteinzeit mit den Planungen und der wissenschaftlichen Grundlagenermittlung für eine Vitrinenstation im Museum Quintana in Künzing begonnen. Die neue Station stellt dabei eine Nachrüstung der bereits bestehenden Jungsteinzeitabteilung des Museums dar, in der die Epoche der Linienbandkeramik bisher nicht durch Funde vertreten war. Um die Grundlagen für die Präsentation zu schaffen, wurden „Befund 561“ sowie die anderen Gräber des Gräberfelds archäologisch untersucht. Um mehr über die bestatteten Personen zu erfahren, wurden außerdem modernste naturwissenschaftliche Verfahren wie Genanalysen und Strontiumisotopenanalysen eingesetzt.
 
Die Frage nach dem Geschlecht der bestatteten Person gestaltete sich schwierig. Die anthropologische Geschlechtsbestimmung durch Prof. Dr. Gisela Gruppe von der LMU München sprachen nämlich wegen der eher männlichen Form des Schädels für einen Mann. Die Analyse von DNA-Material, das aus dem Belag von Zähnen aus dem im Gegensatz zum Rest des Skeletts relativ gut erhaltenen Schädels entnommen wurde, ergab jedoch, dass es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um eine Frau gehandelt hat. Die Genanalysen zeigen außerdem die Verwandtschaft der „Toten von Niederpöring“ mit zeitgleich lebenden Gruppen in Anatolien, nicht aber mit modernen Europäern. Zu ihrer Zeit lebten noch keine Semiten in Anatolien. Den orientalischen Typus gab es noch nicht. Die dortigen Menschen ähnelten den jungsteinzeitlichen Donaukulturen, wie Vinča-Kultur (5.400-4.500 v.0) schwerpunktmäßig im Gebiet des heutigen Serbien, Westrumänien, Südungarn, östlichen Bosnien und dem heutigen Kosovo. Aufgewachsen ist die Steinzeitfrau, wie eine an den Zähnen durchgeführte Isotopenuntersuchung ergab, bereits in der Umgebung von Niederpöring. Auf Basis der wissenschaftlichen Untersuchungen wurde für die Vitrinenstation im Museum eine Büste mit einer lebensechten Gesichtsrekonstruktion der „Toten von Niederpöring“ angefertigt. Die Grundlage für die Rekonstruktion lieferte die Computertomografie des Schädels am Klinikum Passau. Der Schädel wurde anschließend mithilfe eines 3D-Scanners erfasst und digital bearbeitet. Der 3D-Druck des Originalschädels diente dann als Ausgangspunkt für eine plastische Gesichtsrekonstruktion, wie man sie aus Kriminalfällen kennt, durch das Atelier Wildlife Art. Dabei wurden zunächst Gewebe, Muskeln und das einstige Gesicht durch das Anbringen von Abstandsmarken an wichtigen Stellen des Schädels sowie anhand von Informationen über das Alter und Konstitution der „Toten von Niederpöring“ bestimmt und aus Ton modelliert. Das fertige Tonmodell wurde dann mit Silikonkautschuk abgeformt und eine Büste aus weichem, hautähnlichem Material erstellt. Zum Abschluss wurde die Büste mittels Airbrush in dünnen Schichten koloriert und echte Menschenhaare implantiert. Das klingt alles sehr wissenschaftlich fundiert, in Wahrheit jedoch sind - abgesehen vom durch den Schädel vorgegebenen grobvisuellen Eindruck - die Ohren, Nasenkuppe, Lippenschwung, Augenfarbe, Hautfarbe, Tränensäcke, graue Haarfarbe und Frisur, Pigmentstörungen, Leberflecken, Pusteln, tiefe Altersfalten, Altersflecken -, alles reine Fantasie des Künstlers der die Rekonstruktion vornahm ! Warum er die Frauenhaut so unschön mit braunen Flecken überzog, die Gesichts-, Stirn und Halsfalten gar so tief gestaltete und sich die Augen extrem dunkel ausdachte (sogar die Augäpfel) bleibt sein Geheimnis. Mir fiel aber seit Jahren auf, dass auch bei anderen Kopfrekonstruktionsversuchen der BRD-Museen, zweifellos ein Gestaltungshang zur Verhässlichung feststellbar ist. Warum will man uns unsere deutschen Vorfahren möglichst abstoßend vorführen ? Gehört diese Tendenz zur großen Nachkriegsagenda des omnipotenten Antigermanismus ? Ich habe beim oben gezeigten Foto die Hautflecken beseitigt, die Augen aufgehellt, das Haar leicht blondiert, also Verschönerungen gegenüber dem Museums-Original vorgenommen. Die Vorstellung, den frühen Menschen als solchen dadurch kenntlich machen zu sollen, indem man ihn unschön darstellt, ist nichts weniger als eine unwissenschaftliche Marotte der Wissenschaft.