Vater Hans und Tochter Monika Ertl
 
HANS UND MONIKA ERTL
 
Starke Väter -, starke Töchter,
letztlich keine Widersprüche,
lediglich die sichtbedingten
fast normalen Zeiten-Brüche.
 
Hans Ertl war ein genialer,
idealer deutscher Filmemacher,
in geschichtlich großer Zeit
war er ein besonders Wacher.
 
Mit Leni Riefenstahl beim Dreh
und mit Rommel in der Wüste;
herzerhebend schien die Zeit
die den Großen Morgen grüßte.
 
Dann das Ende im Verderben,
Siegerterror und Ruinen,
so ist vielen treuen Deutschen
nur das Exil als Trost erschienen.
 
Er züchtete in Bolivien Rinder.
Er filmte und erkletterte den
„Schicksalsberg der Deutschen“,
den Nanga-Parbat zu besteh‘n.
 
Hans Ertl war ein Tausendsassa,
ähnlich wurd‘ Tochter Monika,
sie reizte manches Abenteuer,
im Untergrund für Che Guevara
 
Sie war einer Idee verschrieben,
der nationalen Volksbefreiung:
„Ejército de Liberación Nacional“,
„Sieg oder Tod“, ohne Verzeihung.
 
Stand sie deutscher „NS“-Idee
nicht viel näher als man‘s meinte ?!
„Befreiung von den Plutokraten“,
ist‘s was die Rebellen einte.
 
 
Der Dokumentarfilm „Nanga Parbat“ (1953) unter der Spielleitung von Hans Ertl, er schrieb das Drehbuch und führte die Kamera. Hans Ertl (1908-2000) war Bergsteiger, Kriegsberichterstatter bei Feldmarschall Rommel in der Wüste, Rinderfarmbesitzer in Bolivien und er galt als einer der besten Kameraleute seiner Zeit. Er hatte sich auf Berg-, Sport- und Expeditionsfilme spezialisiert und begleitete in dieser Funktion die Expedition zum Nanga-Parbat in Pakistan. Das Ringen um den Nanga Parbat, 8.125 m, den „Berg des Schreckens“, ist von einer Tragik überschattet, die in der Geschichte des Kampfes um die Achttausender-Riesen unserer Erde ohne Beispiele ist. Fünf deutsche Expeditionen stürmten vergeblich diesen Westpfeiler des Himalaya. Einunddreißig Männer, Bergsteiger und Träger verschiedener Nationen, ließen dabei ihr Leben. Die Expeditionsteilnehmer fanden sich am Grabe des deutschen Bergsteigers Drexel, einem der Opfer, das der Berg forderte, zusammen, um sich feierlich zu schwören: „Wir geloben in dem Ringen um einen der höchsten Gipfel unserer Erde ehrenhafte Kämpfer zu sein, die Gesetze der Kameradschaft zu achten und uns mit ganzer Kraft für die Erreichung des hohen Zieles einzusetzen. Zum Ruhme der Bergsteigerei in der ganzen Welt und zur Ehre unseres Vaterlandes. Auf unserer Expedition: Berg Heil !“
 
Der Aufstieg durch tiefen Schnee, über auseinanderklaffende Gletscherspalten und hochgetürmte Eislawinen ist mehr als schwierig. Mit Funksprechgeräten hält man Kontakt zum Hauptlager, das auch Vorschläge für die weitere Marschroute oder nötige Korrekturen macht. Langsam kommt man voran und dem Gipfel jeden Tag ein kleines Stückchen näher. Als sie Lager IV. aufgeschlagen haben, zwei kleine Zelte, in denen sie schlafen und Essen zubereiten können, erreicht sie vom Hauptlager eine Monsun-Warnung. Die Männer zeigen sich alarmiert und beunruhigt. Soll alles, was sie bisher schon geleistet haben, umsonst gewesen sein ? Sie versuchen einen Vorstoß über die Rakhiot-Eiswand und geraten in orkanartige Stürme. Dann jedoch, ganz plötzlich, bessert sich das Wetter und der Himmel öffnet sich und liegt klar und blau über dem Gipfel, der greifbar nah scheint. Die Männer wissen, dass sie diese Gelegenheit nutzen müssen, überwinden die Eiswand und überschreiten den Mohrenkopf. Die Männer erreichen das Lager V., da gab es für Hermann Buhl kein Halten mehr, um Mitternacht macht er sich allein auf, den Gipfel zu erreichen. Schließlich ist er „Der erste Mensch auf diesem einsamen Fleck, seit Bestehen unserer Erde.“ Mit erfrorenen Zehen kommt er aus der Eisregion zurück.
 
Der Bayer Hans Ertl (1908-2000) wurde in Urschalling am Chiemsee geboren. Als Bergsteiger machte er sich zu Beginn der 1930er-Jahre durch die Ersterklimmungen der Nordwände der Königspitze und des Ortlers einen Namen. Beide Wege tragen deshalb den Namen „Ertlweg“. Auch gelang Ertl, zusammen mit Albert Höcht, die Erstbesteigung des 7422 Meter hohen Sia-Kangri in Zentralasien. Als Kameramann entwickelte Ertl insbesondere bei den Olympiafilmen der genialsten Filmemacher des 20. Jahrhunderts, Leni Riefenstahl, neue Kameratechniken und Kamera-Fahrttechniken bis hin zur „fliegenden Kamera“, mit der er den Flug eines Skispringers nachempfand. Im Jahre 1939 wird er zur Mitarbeit beim BDM-Werk „Glaube und Schönheit“ berufen und dreht den Film „Glaube und Schönheit“, den gesehen haben muss, wer den Glauben an die Schönheit im Herzen spürt. In Weltkrieg II war er Kameramann bei einer Kriegsberichterstatter-Kompanie, im Rang eines Oberleutnants. Er war der bevorzugten Kameramann von Erwin Rommel im Afrika-Feldzug. Nach 1945 wurde auch er auf Anordnung der Kriegsgewinnler mit dem albernen Berufsverbot kujoniert. 1952 wanderte er mit seiner Familie nach Bolivien aus. Als Teilnehmer an der deutschen Bolivien-Expedition 1950, während der ihm der Illimani-Nordgipfel im Alleingang, die Erstbesteigung des Illimani-Südgipfels (mit Gert Schröder) und weitere frühe Besteigungen mehrerer Sechstausender gelangen. 1953 wurde Ertl Teilnehmer der Willy-Merkl-Gedächtnis-Expedition, die sich die Erstbesteigung des Achttausenders Nanga-Parbat zum Ziel gesetzt hatte. Er begleitete Hermann Buhl bis zum letzten Hochlager in 6.900 m Höhe, von wo aus diesem dann - unter Opfern - der Gipfelerfolg glückte. 1955 besteigt Hans Ertl den Cerro-Paititi in Bolivien und filmt sich dabei selbst. Seine Frau und seine drei Töchter sind ebenfalls dabei. Das Filmmaterial wird jedoch durch eine Unachtsamkeit im Schneidewerk zerstört, weswegen Ertl aus den Fotos und Tagebucheinträgen ein Buch macht: „Paititi - Ein Spähtrupp in die Vergangenheit der Inkas“. 1958 drehte Ertl im bolivianischen Urwald die Abenteuer-Doku „Hito-Hito“. Seine Tochter Monika wird als 2. Kamerafrau genannt. Es wurde der letzte Film den der Altmeister vollendete.
 
Monika Ertl (1937-1973) war die Tochter von Hans Ertl. Nach der Enttäuschung einer gescheiterten Ehe mit einem Deutschstämmigen in Bolivien geriet sie in den 1960er Jahren zur revolutionären „ELN“ bzw. „Ejército de Liberación Nacional“ (Nationale Befreiungsarmee), die sich die revolutionäre Aufgabe gesetzt hatte, das bolivianische Volk von dem es beherrschenden und aussaugenden plutokratischen Staatssystem zu befreien. Nach der Ermordung von Che Guevara befand sich die Organisation in der nur schleppend vorangehenden Wiederaufbauphase. Monika begann zunächst mehr passiv am Kampf gegen die Militärregierung teilzunehmen. Irgendwann hat sie wohl in dieser Tätigkeit ihre idealistische Lebensaufgabe gesehen. Sie wurde unter ihren Kampfnamen „La Gringa“ und „Juana“ mit ihrem deutschen Organisationstalent zu einer der wichtigsten Führungspersonen der Aufstandsbewegung. Sie versuchte ein Gelände für die Ausbildung der Anhänger der „ELN“ zu finden. Dafür wollte sie ihren Vater gewinnen, der abgelegen im Dschungel seine Farm betrieb. Vater Hans erkannte aus seinem reiferen Blickwinkel heraus jedoch die Unmöglichkeit des gesamten Vorhabens und lehnte es ab, sich einzubringen. Daraus entstand eine tragische Entfremdung zwischen Tochter und Vater. Hans Ertl hatte sich nicht getäuscht, der Charakter des bolivianischen Volkes eignet sich nicht für den Aufbau einer kämpferischen Untergrundbewegung. Als Monika Ertls Auto bei einem Banküberfall zur Geldbeschaffung der „ELN“ als Fluchtwagen erkannt wurde, hat man sie ab 1970 polizeilich in Bolivien gesucht. Ihre Verstrickungen im linksrevolutionären Milieu führten zu Aktionen und verschrobenen Plänen die im Laufe der Zeit immer verwegener und auch immer psychotischer wurden, wie es Menschen auf glücklosen Wegen sehr oft ergeht. Um den in diesen maxistischen Kreisen hoch verehrten gefallenen Führer Che Guevara zu rächen hat sie allem Anschein nach den bolivianischen Generalkonsul in Hamburg Roberto Quintanilla Pereira am 1. April 1971 erschossen. Die Polizei fand am Tatort einen Zettel, der klar machte, dass Quintanilla aus politischen Motiven erschossen worden war: „Sieg oder Tod !“ stand auf dem Papier, es war die Kampfparole einer bolivianischen Guerilla-Gruppe. Monika wurde in der Folgezeit in Deutschland als „Che Guevaras Rächerin“ bekannt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ließ Ertl zwar per Interpol suchen, schloss den Fall aber letztlich als ungelöst ab. Der Getötete, der ehemalige Polizei-Oberst „Toto“ Quintanilla, wurde von der „ELN“ als eine der Hauptfiguren der Erschießung von Che Guevara angesehen. Am 12. Mai 1973 wurde Monika Ertl von bolivianischen Sicherheitskräften erschossen. Es wurde behauptete, dass die ihr gestellte tödliche Falle von Klaus Barbie organisiert worden sei, dem schillernden Geheimdienstmann der im Weltkrieg für Deutschland und nach dem Krieg für alliierte Geheimdienste arbeitete.
 
Nachbetrachtung: Vater Hans Ertl müsste vordergründig als tapferer und bewusster Deutscher, der zweifellos dem NS-Gedankengut nahestand, als „Rechter“ bezeichnet werden, während sich die Tochter Monika einer marxistischen Untergrundorganisation verschrieben hatte, somit als „Linke“ zu verstehen war. Eine derartige scheinbare Gegensätzlichkeit hält aber keiner sensiblen Untersuchung stand. Denn beide Ideologien - die umstürzlerische „linke“ und die reaktionäre „rechte“ - die sich zu Volksbewegungen entwickelten, treffen sich in vielerlei Ansatzpunkten. Beide Parteiungen verstanden und verstehen sich als soziale Befreiungsphilosophien von den Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen des Plutokratismus. Vater Hans und Tochter Monika lagen also hinsichtlich ihrer Ideale letztlich gar nicht weit auseinander bzw. näher als man es bei oberflächlicher Betrachtung vermuten würde.