Abb. 1 - Wen zeigt die Marmorbüste ?
 
Seitdem ich als zwölfjähriger Junge den grandios verfassten Historischen Roman „Ein Kampf um Rom“ von Felix Dahn (1834-1912) verschlungen hatte, ging mir zeitlebens der Name jener gotischen Königin Amalaswintha nicht mehr aus dem Sinn. Immer einmal wieder, klang er in mir auf, so wie man Melodienfolgen mancher zauberhafter Volksweise als Ohrwurm unauslöschlich im Gedächtnis behält. In diesem vokalisch-klangvollen Frauennamen schwingt Musik und die Mystik unserer germanischen-gotischen Ahnen, die diese fremde Religionskultur des römisch-orientalischen Christianismus uns Deutschen über mehr als tausend Jahren hat entfremden wollen. Amalaswintha in der Skulptur stelle ich hier neben eine ihr sehr ähnlichen Malerei eines unbekannten Künstlers. Vielen antiken Statuen wurde die Nase abgeschlagen, weil man glaubte, dass der Geist der Verstorbenen in der Figur weiterlebt. Schlug man die Nasen ab, so dachte man, nimmt man auch der Seele den Atem. Amalswintha (496-535) war Arianerin, ihr werden folglich fanatische Katholiken die Nase zertrümmert haben. - Es gilt als umstritten, ob die hier gezeigte Marmor-Skulptur (6. Jh., Castello Sforzesco, Mailand) wirklich die Gotin Amalaswintha darstellt, oder ihre Gegenspielerin Theodora (500-548), die Ostrom-Kaiserin. Keinesfalls kommt als Amalaswintha in Frage der kurze, pausbäckige Rundkopf, des Portrait-Fundes aus „Palazzo dei Conservatori“, in Rom, welcher zuweilen als Abbild der Amalaswintha bezeichnet wird. Er stellt - so wurde alternativ vermutet - die Kaiserin Aelia Ariadne (450-515) dar, die Frau der oströmischen Kaisers Zenon (474-491) sowie dessen Nachfolger Kaiser Anastasios (491-518). Ebenso ist deren typisch rundlicher Kopf dargestellt auf dem Diptychon im „Palazzo del Bargello“, Florenz. Der Portraitkopf der Kaiserin Aelia Ariadne in „Basilica di San Giovanni in Laterano“, Rom, trägt eine sehr viel flachere Doppelspitzen-Kappe. Auch könnte möglicherweise der Kopfputz der Kaiserin im fünfteiligen Kaiserdiptychons so gedeutet werden, welcher aus der Sammlung Riccardi in Florenz stammt, den das Kunsthistorische Museum Wien aufbewahrt. Man hat die Person als Aelia Ariadne gedeutet. Falls die aufgeführten Funde die Kaiserin Ariadne tatsächlich meinen, würde der doppelhöckerige Kopfputz der Abb. 1 aus der Tradition der oström. Kaiserin Ariadne herrühren können. Das hieße aber nicht, dass es sich bei Abb. 1 zweifellos um die oström. Kaiserin Theodora handeln muss ! Denn Kaiser Zeno war ein Isaurier und dieser außerst kriegstüchtige, kleinasiatische Volksstamm (ursprünglich zu den Frühgriechen gehörig) hatte über lange Zeit die engsten Verbindungen mit den Goten im byzantinischen Militärwesen. Auch dem Gotenkönig Theoderich der Große (493-526) und seiner Tochter Amalaswintha könnte dieser Kopfschmuck gefallen haben und in verbesserter, hochgezogener Form, als Krönungsschmuck aufgegriffen worden sein. 
 
Die königlichen Hauben auf den Bildnissen der Frauen lassen kaum einen Schluss sicheren Schluss zu. Doch möglichweise machen Details ihres Haubenschmuckes eine Unterscheidung möglich. Die auf der Haube der Sforzesco-Skulptur zur Schau getragenen drei Zapfen, auf dem „Orestesdiptychon“ („Victoria and Albert Museum“, London) sind es drei kreisrunde „Schmuckstücke“ (?) unterhalb des Halssaumes, weisen auf die Bedeutsamkeit der Drei-Zahl hin. Das ist verständlich, waren doch Amalswintha und ihr Volk bekennende Arianer, die der Lehre des christlichen Predigers Arius (260-327) anhingen, dessen Lehre des sog. Arianismus, von drei Wesensformen, also der Trinität Gottes, ausging, die vor allem auf dem Philosophen Platon (428-348) gründete: Logos, Sohn und Heiligem-Geist. Seit dem Konzil von Nicäa (325) wurde der Arianismus von der Papstkirche als Ketzerei eingestuft. Im Widerspruch dazu hing die Kaiserin Theodora dem Monophysitismus (griech. monos = einzig) an, welche die Meinung vertrat, Jesus-Christus hätte eine einzige, göttliche Natur gehabt, welche „unvermischt und ungetrennt“ nebeneinander bestünden. Es ist demnach kaum anzunehmen, Theodora hätte sich ein Dreier-Symbol auf ihre Haube heften lassen und ebenso wenig glaubhaft wäre es, dass sich ein Marmorbildner solches gewagt hätte, bei der strengen Bildsprache der damaligen Zeit. Nachdenklich macht Amalaswinthas Bildnis auf dem „Orestesdiptychon“, von 530. Sie trägt die Kopfbedeckung einer phrygischen Mütze des Kybele-Kultes, die den Kopfbedeckungen der früheren Königinnen des Bosporanischen Reiches entspricht, das vom 5. Jh. v.0 bis in die Spätantike bestand. Die Goten hatten das Reich vernichtet. Es befand sich auf der Krim-Halbinsel und dem östlichen Ufer des Asowschen Meeres, östlich an Phrygien grenzend, also dem Kernland der Kybele-Verehrung. Blieb die Mütze nur als Modeform erhalten, oder galt sie als Ausdrucksform einer religösen Gottesmutterverehrung ? - Im Jahre 476 endete das weströmische Kaiserreich, der Germanenkönig Odoaker (433-493) erwarb den Titel des Königs von Italien. 493 wurde Ravenna von dem Gotenkönig Theoderich der Große besetzt, der die Stadt länger als 30 Jahre regierte. Über die Glaubensinhalte der gotischen Arianer wissen wir so gut wie nichts, denn dass das offizielle christlich-arianische Bekenntnis der politischen Oberschicht nicht mehre als nur eine dünne Firnis gewesen sein kann, unter der sich alteigene Kultformen der Masse nordisch bestimmter Goten auslebten, beweist konkret der sog. „Zangenfries“, um den 300 Tonnen schwere Dachmonolithen herum, des grandiosen Grabmahls Theoderichs in Ravenna. Diese Fries-Symbole kennen wir aus den germanischen Kleinkunstwerken auf nordischen Gewandfibeln, es handelt sich um ein Symbol aus dem germanischen Sonnenkult, das Zeichen zeigt die Sonne über dem Weltenberg bzw. der obeliskförmigen Himmelsstütze. die Zahl Drei spielt im germanischen Lichtkult eine wesentliche Rolle und so wurden im Theoderich-Grabmahl-Fries auch die Zeichen in Neunergruppen angeordnet, denn 9 bedeuet 3x3, mithin die potenzierte Drei. - Als Ravenna noch Hauptstadt des ostgotischen Königreiches war, dessen germanische Führungsschicht sich zum arianischen Christianismus bekannte, wurde die Basilika errichtet, die sich heute „Sant’Apollinare Nuovo“ nennt. Das dortige Mosaik, über dem der Name des oströmischen Kaisers „Justinian“ eingelegt wurde, zeigte ursprünglich das Portrait Theoderichs des Großen. Es ist nach dem Jahr 540, als die Byzantiner unter ihrem Feldherrn Belisar die Stadt gewannen und der Arianismus zur Irrlehre erklärt wurde, nur kaum auf das Aussehen Kaiser Justinians hin überarbeitet worden. Im Wesentlichen haben wir das sehr gute Abbild des Gotenkönigs vor uns. Diese Kirche ließ Theoderich unmittelbar nach seinem Sieg über Odoaker und dem Gewinn Italiens direkt vor seiner Haustür errichten. Mosaiken sind auf beiden Seiten des Mittelschiffs in drei Zonen gegliedert, wobei jede Zone mit der ihr gegenüberliegenden thematisch in Verbindung gebracht ist. Langhaus und Querschiffe sind von je zwölf - also 24 -Marmorsäulen gestützt. 24 Runen-Buchstaben umfasst das germanische Alphabet. Die berühmten Mosaiken der Basilika sind nicht alle in ursprünglicher Form erhalten geblieben. Das Theoderich-Mosaik, das zum Justinian-Bild gefälscht wurde, erwähnte ich bereits. Einige der als heidnisch (arianisch) angesehenen Darstellungen wurden in den folgenden Jahrhunderten getilgt. Der katholische Bischof Agnellus (487-570) ließ in Theoderichs Königs-Palast des Königs Prozession mit seinen Würdenträgern durch christlich-katholische Figuren ersetzen. Theoderich und sein Hofstaat wurden in eine Reihe von Heiligen umgemodelt. Auf diese Weise beabsichtigten die Katholischen eine Erinnerung an die zuvor herrschende gotischen Herrenschicht auszulöschen. Andere Figuren im Mosaikbild hat man durch eingearbeitet Vorhänge verschwinden lassen; man sieht nur noch ihre Hände oder Arme auf seitlichen Säulen. Auch die Kirche „San Vitale“ in Ravenna geht in ihrer Ausgestaltung des Altar- und Apsisbereichs auf die gotische Entstehungszeit zurück. Im südlichen Mosaikfeld ist Kaiserin Theodora durch ihre Tracht, sowie durch ihren Nimbus und die sie hinterfangende Nische deutlich als Kaiserin gekennzeichnet. Bei diesem Mosaik könnte es sich ebenfalls, im Urzustand, um die Goten-Königin Amalaswintha gehandelt haben. Sie trägt nämlich eine Kette, als deutliche Betonung der sakralen Dreizahl, eine Halskette von drei großen Smaragden. Ein anderer marmorner Portraitkopf der Kaiserin Ariadne - aus Ende 5. Jh. - wird in der „Lateranbasilika“ (Basilica San Giovanni in Laterano), Rom, aufbewahrt. Den ganz ähnlichen Frauenkopf zeigt das Elfenbeindiptychon im Kunsthistorischen Museum Wien (Inv. Nr. X 39; Antikensammlung), das ebenso der Ariadne zugeordnet wird. Sie trägt hier die Weltkugel mit dem Kreuz in linker Hand. Von ihrer Kronenhaube (Kamelaukion) hängen an den Seiten sog. Pendilien, schmückende Stränge aus Perlen, Steinen oder anderen feinen Materialien. Diese langen Haubengehänge sehen wir auch auf dem Mosaikbild der Kaiserin Theodora I. in „San Vitale“, Ravenna, die ich - wie dargelegt - für die überarbeitete Königin Amalaswintha halte. Denn nicht nur byzantinische Herrscher trugen die Pendilien, typisch sind die Kronengehänge für westgotische Weihekronen, wie sie aus dem Schatzfund von Guarrazar, als Werke der toledanischen Hofkunst, bekannt sind. Noch Konstanze von Aragón (1184-1222) trug sie, die spätere deutsche Kaiserin, Ehefrau des Staufers Friedrich II.. Auch die byzantinische Kaiserin Ariadne III. des 13. Jahrhunderts. Die Mailänder Sforzesco-Marmorbüste, in der ich Amalaswintha zu sehen meine, trägt eine Kopfbedeckung, die durch Perlen verziert ist und sich zu zwei Höckern erhebt. Im sechsten Jahrhundert trugen die hochstehenden adligen Damen oft derartige turbanförmige Kopfbedeckungen, doch eine doppelhöckerige ist kein zweites Mal belegt. Die Doppelhöcker-Haube erinnert grobvisuell an das Porträt einer festlich geschmückten Keltin, des Grabreliefs an der Außenwand der Kirche in Klagenfurt-Lendorf, sowie einem weiteren Portrait einer Keltin, des Steinreliefs eines Grabmonuments aus der Paulitschgasse, Innere Stadt von Klagenfurt (Lapidarium des Landesmus. Kärnten Klagenfurt). Das war die einheimische Keltentracht. Diese heute österreichische Region gehörte zum gotischen Reich des Theoderich. Die Tradition der keltischen Frauenhauben fand offensichtlich ihre Fortführung zum sog. „Hennin“, wie ihn das Portrait der Barbara van Vlaendenbergh vom Maler Hans Memling (1430-1494) vorführt und dem „Doppelhennin”, der „Hörnerhaube“. Königin Elisabeth (Isabeau, Isabella) von Bavaria-Ingolstadt (1370-1435), aus dem Hause Wittelsbach, heiratete im Jahre 1380 den französischen König Karl VI.. Sie trägt auf zeitgenössischen Bildern die Hörnerhaube. In der Mitte des 14. Jahrhunderts kam diese weibliche Kopfbedeckung in Mode. Das waren lange konische Hüte, die in ihrer Art zu den Hörnerhauben gehörten, mit Schleier oder breiter Hängeborte. Es gab auch Hörnerhauben mit zwei Hörnern, das waren Gerüste aus Eisendraht, über die gestärkte Musselintücher gespannt wurden. Frauen, die solche Hüte trugen, wurden zuweilen, wohl scherzhaft, Teufelsanbeterinnen genannt. Auch die Schmetterlingshaube, ein Hennin mit doppeltem, kunstvoll angebrachtem Schleier, eine Art Doppelhennin, schmückte die Häupter vornehmer Frauen. Die Grundform der Prunkkappe der Amalaswintha (oder Theodora ?) ähnelt mit ihren beiden Spitzen der traditionellen liturgischen Kopfbedeckung der katholischen Würdenträger (Bischöfe), so wie sie ursprünglich getragen wurde, mit den Hutspitzen nebeneinander ! Dass sich die Doppelhöcker-Mütze des Klerus aus einer Form der Herrscher-Kopfbedeckungen entstanden sein könnte, liegt auf der Hand. Es ließe sich diese Kappenform auch aus Traditionen nordischer Volkstrachten ableiten. Entstand sie aus altgotisch-skandinavischen Frauenmützen ? Ähnlich war die traditionelle Tracht der Bäuerinnen aus Klein-Bremen aus Minden in Westfalen. Ebenso der Kopfputz der Ehefrauen von Voss im südwestnorwegischen Hordaland (östlich von Bergen). Auch in der schwedischen Provinz Södermanland (Sörmland), Kirchspiel Wingakir (Vingåker), trug die Braut eine hohe Leinwandmütze die in Form einer Mitra von der Stirn ab, die Haare bedeckt und in zwei Spitzen endigt, wie es eine Farblithographie um 1890 aufzeigt. Im Sorbenland, dessen alter Namen Wendland (Wandalen-Land) war, Kreis „Altenburger Land“, im Ländereck von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, trugen die Frauen bei besonders festlichen Anlässen das „Hormt“. Dieser Kopfschmuck hatte die Form einer hohen, zylindrischen mit Samt überzogenen Schachtel, mit silbernen Blechen besetzt, auf denen drei Reihen Silberknöpfe angebracht waren. Rund um das Hormt waren an silbernen Hängeösen kleine Schildchen in Form von vergoldeten Kirschblättern befestigt. Eine weitere Zierde bildeten die Kränzchen aus Silberlahn, mit bunten Glasperlen prächtig geschmückt. Ein jahrhundertaltes ungeschriebenes Gesetz des Brauchtums regelte, von wem und wann das Hormt getragen werden durfte, es stand nur auserwählten, tugendsamen Jungfrauen zu. Seine Trägerinnen wurden als Hormtjungfern oder mundartlich „Hormtmeede“ (Hormtmädchen) bezeichnet.
 
AMALASWINTHA
 
Amalaswintha -, Königin der Goten,
des großen Theoderichs schönes Kind,
wir hören klangvolle Namen der Ahnen
und fragen uns, wie sie gewesen sind ?
 
Sie besaß germanische Blumenaugen,
klarsichtig offen, flachsblau und rund,
ihre vollen, schweren, rötlichen Flechten
machten Amalas gotischen Adel kund.
 
Sie herrschte über die Goten und Römer,
zu wenig streng, nach der Starken Sinn.
Die mahnten zur wachsamen Mannbarkeit:
„Erhält unsern Staat diese Königin ?“
 
Nur fähige Führer erhalten ein Land
und die Erziehung der Männer zur Pflicht.
War Amalaswintha auch klug und bereit,
sie bewahrte das Gotenreich nicht.
 
Mit Friedensstreben und Weibergefühl
bleiben Völker und Staaten nie frei -,
ein schwacher, reicher, unfähiger Mann
war zum Unheilsfluch auch mit dabei.
 
War die Tochter des großen Theoderich
gar verstrickt mit dem Landesverrat,
aus überfeinerter Bildung und Geistigkeit,
wie ihr königlicher Vetter Theodahad ?
 
Zeit der Intrigen, der Lügen, des Trugs,
und oströmischer Spiele um Macht -,
da wurde Amalaswintha, die Königin,
im Dampfbade grauenhaft umgebracht.
 
Der Kaiserin Theodora sagte man nach,
sie gäb‘ dazu Ratschlag und Gold,
die christfromme Frau befürchtete wohl
ihr Gemahl würd‘ der gütigen Gotin hold ?
 
Der Kaiser von Byzanz schickte Belisar,
die Katholischen schürten zum Krieg -;
verwüstetes Land, Brand, Mord und Not,
und wie oft: die Weltvernunft schwieg.
 
Die gotischen Frauen
 
 
Mosaik der Seitenwand in Basilika „Sant’Apollinare Nuovo“ in Ravenna, aus der Periode von Theoderich dem Großen. Alle Frauen haben blaue oder graue Augen, wurden also als Gotinnen bzw.  Nordeuropäerinnen dargestellt.
 
Amalaswintha / Amalasuntha (496 oder 502-30.05.535) war die Tochter des ostgotischen Königs Theoderich des Großen (451-526)  und der Audofleda, einer Schwester des Merowinger-Königs Chlodwig I.. Der Amalaswintha bescheinigte der byzantinische Geschichtsschreiber Prokopios von Caesarea (500-565) eine große Schönheit, die männlichen Mut aufwies und zudem klug, charmant, kultiviert und hochgebildet war. Ihr Vater Theoderich war zwar ein synkretistischer Christ, aber kein Katholik, sondern ein überzeugter Arianer, der Katholiken und Juden gegenüber recht tolerant war. Er meinte: „Wir können nicht die Religion befehlen, da niemand gezwungen werden kann, gegen seinen Willen zu glauben.“ (in: Cassiodorus, „Variae“ II, 27, 2.) Theoderich war besonders stolz auf die gebildeten Frauen in seiner Familie. Dieser arianische Germanenkönig sprach mit einer Hochachtung  und Würde von den Frauen, wie es das ganze nachfolgende katholisch bestimmte Mittelalter nicht mehr gekannt hat. Seinem Schwager, dem Vandalenkönig Thrasamund, der im Jahr 500 seine Schwester Amalafrida geheiratet hatte, schrieb er im Jahr 511 Folgendes: „Wiewohl wir, wie es uns Gott eingab, zur Festigung der Eintracht entweder unsere Nichten hingegeben oder unsere Töchter verheiratet haben, die von verschiedenen Königen erbeten wurden, schätzen wir niemandem etwas Ähnliches gewährt zu haben, als dass wir unsere Schwester, die Krönung des Amalergeschlechts, zu Eurer Gemahlin gemacht haben - eine Frau, die Eurer Klugheit ebenbürtig ist, nicht nur eine Respekt gebietende Zierde für das Königreich, sondern ebenso im Stande, bewundernswerten Rat zu erteilen.…“ Theoderichs neun- oder zehnjährige hochgebildete Nichte Amalaberga wurde um 508 mit dem thüringischen Thronfolger Herminafried, dem Sohn des thüringischen Königs Bisinus, verheiratet. Zu diesem Anlass schrieb Theoderich an den Bräutigam Herminafried Folgendes: „Im Verlangen, Euch unserer Verwandtschaft anzusippen, vereinen wir [Dich] mit dem geliebten Pfand unserer Nichte; die Gottheit segne es ! Damit sollt Ihr, der Ihr aus königlichem Geschlecht abstammt, durch den Glanz des Amalerblutes jetzt noch weiter leuchten ! Wir schicken zu Euch die Zierde von Hof und Haus, die Vermehrung des [königlichen] Geschlechts, treuen Rates Trost und allersüßeste Gattenliebe. Möge sie sowohl mit Euch die Herrschaft nach dem Recht innehaben als sie auch die Situation Eurer Nation zum Bessern bringen soll. Das glückliche Thüringen wird besitzen, was Italien heranbildete, eine gelehrte Frau von Bildung, in Sitten erzogen, ein Schmuck nicht nur dem Geschlecht nach, sondern auch hinsichtlich weiblicher Würdigkeit, so dass Eure Heimat nicht weniger durch ihre Sitten erglänzen wird als durch ihre [eigenen] Triumphe. Indem wir somit mit gebührender Huld grüßen, tun wir kund, dass wir bei der Ankunft Eurer Gesandten den bestimmten Gaben empfangen haben für eine gewiss unschätzbare Sache, aber entsprechend dem Völkerbrauch: nämlich die Pferde gekleidet in der Farbe des Silbers, wie zur Hochzeit ziemlich. [Theoderich lobt die Pferde der Thüringer]... Auch wir haben freilich geschickt, was fürstlicher Brauch erforderte, aber nichts Größeres konnten wir darbringen, als dass wir Euch mit dem Schmuck einer solchen Frau verbanden. Der Himmel möge Eure Ehe schützen, damit, so wie uns sachliche Geneigtheit verband, unsere Nachkommen auch verwandtschaftliche Gunst verpflichten möge.“ (Cassiodorus, „Variae“ IV, 1 + V, 43,1., in: „Briefe des Ostgotenkönigs Theoderich der Große und seine Nachfolger“; von Ludwig Janus / Peter Dinzelbacher, 2010, S. 62-65).
 
Das Schicksal der Goten-Königin Amalaswintha
 
Theoderich verheiratete seine Tochter 515 mit Eutharich (-523), einem Mann von vornehmer Abstammung. Auch sorgte ihr Vater dafür, dass der Kaiser in Byzanz seinen Schwiegersohn als „Waffensohn“ adoptierte. Mit dieser Ehrenbezeichnung erkannte er ihn - wie zuvor auch den König - als einen guten Krieger an, der zur politischen Vernetzung des byzantinischen Hofes gehören sollte. Das Paar hatte die beiden Kinder Athalarich (516-534) und Matasuentha (518-550). Die etwa 30-jährige Amalaswintha übernahm nach dem Tod des Vaters die Regentschaft für ihren minderjährigen 10-jährigen Sohn Athalarich. Sie war eine mehrere Sprachen sprechende, hoch gebildete Frau, die mit römischen Senatoren, so souverän sprach und verhandelte wie mit den Gesandten aus Byzanz. Schon unmittelbar nach der Beisetzung ihres Vaters hatten sich viele gotische Führer von ihr abgewandt, da sie unter dieser zu liberalen Königin, um die Vormachtstellung der Goten in Italien fürchteten. Die Goten hätten auf Dauer die Alleinherrschaft einer Frau nie akzeptiert, denn es war undenkbar, dass eine Frau ein Feldheer führen könnte und noch weniger als Vorkämpfer einen militärischen Angriff. Das ostgotische Königtum war ein Heerkönigtum, die Könige waren die obersten Kriegsherren, die ihre Truppen in eigener Person in die Schlachten zu führen hatten. Daher war eine Frau an der Spitze des ostgotischen Königtums unvorstellbar. Die germanischen Fürsten hatten bereits nach der Beerdigung ihres Vaters ihr die Gefolgschaft verweigern. In Amalaswinthas acht Jahre dauernden Regierungszeit erhielt sie den Frieden, Im Gotenreich gab es zwei Parteien, die internationalistische pro-byzantinische und die nationale anti-byzantinische. Amalaswintha scheint so eine Art spätantiker „Gutmensch“ gewesen zu sein, dem die nationale Erhaltung der Goten möglicherweise so wenig bedeutete, ähnlich wie der heutigen deutschen Kanzlerin A. Merkel, die sich im Dünkel von Modernität über deutsche Lebensinteressen hinwegsetzt und das Land mit fremdartigen Asylanten überschwemmt. Amalaswintha strebte die innenpolitische Befriedung zwischen arianischen Ostgoten und den katholischen Römern an. Sie hielt auch die enge Bündnispolitik mit den anderen Germanenstaaten nicht bei, die ihr Vaters betrieben hatte. Die gemeinsame Interessenverfolgung des Westgoten- und Ostgotenreichs, die Theoderich im Jahr 514 etabliert hatte, ließ die Regierungschefin einschlafen. Die nationalgesinnten Goten - heute würde man sie „Rechtsradikale“ nennen - gingen in ihrer Sorge um das Gemeinwesen zurecht in heftige Opposition zur verderblichen „linken“ Regierungspolitik. Für Amalaswintha, als zu weiche Herrscherin über die wehrhaften Goten, wurde es eng, sie fürchtete wohl um ihr Leben und führte infolgedessen volksverräterische Verhandlungen mit Kaiser Iustinian I. (482-527), der den weströmischen Staat wieder unter seine Gewalt zu bringen gedachte. Zusammen mit einigen selbstvergessenen gotischen Edlen plante sie sogar heimlich, nach Konstantinopel umzusiedeln. Die „Rechten“ protestierten insbesondere gegen die verweichlichende bzw. „ungotische“ Erziehung des Thronfolgers Athalarich. Amalaswintha beabsichtige ihren Sohn multinational zu prägen, also in römischen als auch in gotischen Traditionen erziehen, damit er beiden Völkern möglicherweise ein guter Herrscher werden könnte. Er ist schließlich von den Großen des Reiches einer harten, männlichen Schulung zugeführt worden. Er starb im Oktober 534 im Alter von nur 18 Jahren, dem Trunk und den Ausschweifungen mit Weibern ergeben. Um die Macht ihrer Gegner zu schwächen oder auszuschalten, verbannte Amalaswintha drei einflussreiche Militärs, ließ die schließlich festnehmen und beseitigen.
 
Jetzt wendete sich der vermögende Vetter der Königin, Theodahad (480-536), und zeitweise auch Mitregent, als erhoffter Heerführer gedacht, von ihr ab. Theodahad, Theoderichs Neffe, war zwar ein sich skrupellos bereichernder Gutsherr, aber als Mitregent und General völlig untauglich. Wegen seiner närrischen Liebe zur lateinischen Literatur und zur platonischen Philosophie war er allgemein bekannt und wurde von den echten, vaterländisch gesinnten Goten verachtet. Viele Germanen waren in Italien zu Vermögen gekommen und manche sind offenbar darüber korrupt geworden. Die Erhaltung ihrer Besitzstände schienen ihnen wichtiger geworden zu sein, als für die Staats- und Volkserhaltung einzustehen. Die kleinen Leute der Bauern, Handwerker und Soldaten aber standen unbeirrbar zur kämpferischen Volkserhaltung. Zur der weniger ehrenwerten Sorte gehörte Theodahad, der trotz einer Maskerade aus lateinischer Kulturbeflissenheit, Belesenheit und Dichtung wegen seiner Habsucht und unlauterer Bereicherungen auch bei der römischen Bevölkerungsmehrheit Italiens verhasst war. Er stand offenbar in hochverräterischer Verbindung mit dem Hofe von Konstantinopel, um sich auch über einen Umschwung hinaus zu retten. Er war kein harter Volksführer, wie man ihn jetzt gebraucht hätte, vielmehr war er ein verfeinerter Lebemann der intrigierte und lateinische Verse schrieb. Entweder auf seinen direkten Befehl hin oder mit seiner Zustimmung wurde Amalaswintha schließlich eingesperrt und im Frühjahr 535 ermordet. Er hatte sie in Ravenna gefangengesetzt und in einer seiner Villen auf der kleinen Insel Martana im mittelitalienischen Vulsina-See (heute: Bolsenasee) schließlich am 30.04.535 im Badegebäude von einem Sklaven erwürgen lassen. Amalaswintha war dem in Konstantinopel residierenden Kaiser Justinian freundlich gesinnt gewesen. Es kursierte das Gerücht, dass bei ihrer Beiseitigung, im Hintergrund die allerfrommste Theodora (500-548) ihre Hand im Spiel hatte, sie war die Gattin des oströmischen Kaisers Iustinianus I.. Theodoras Gesandter Petrus Patricius (?-565) war offenbar der Verbindungsmann in dieser Mordintrige. Unser Haptinformant ist wiederum Prokopios v. Caesarea, er schreibt in seinem Spätwerk der „Geheimgeschichte“ oder „Anekdota“, dass Amalasuntha ermordet worden sei und zwar auf Anweisung des oströmischen Gesandten Petrus, der hierzu seinen Auftrag von der Kaiserin Theodora persönlich erhalten habe. Sie soll nämlich sehr eifersüchtig auf die Gotin gewesen sein, da diese - im Gegensatz zu ihr selbst - aus einem vornehmen Haus stammte und nicht nur sehr hübsch, sehr klug, von königlicher Erscheinung und mutig sei, sondern zudem noch zwei Kindern das Leben geschenkt hatte. Theodora habe daher befürchtet, ihr Gatte würde sich von ihr trennen und Amalasuntha zu seiner neuen Gemahlin wählen. (Procopius „Anecdota“, id., p. xi u. p. 189). Es heißt, Theodora, die von niederer Herkunft war und zeitweise als Hetäre ihren Lebensunterhalt bestritt, wurde später christlich-überfromm und zur „Heiligen“ hochstilisiert. Auch in den kirchlichen Quellen, die die Kaiserin zur Heiligen verklären, wird auf ihre „sündige Jugend“ angespielt. Theodora fürchtete angeblich, dass sich ihr kaiserlicher Gatte, sobald Amalaswintha nach Konstantinopel übergesiedelt sei, sich in diese schöne Gotin verlieben und ehelichen könnte, um über diesen angenehmen Umweg wieder Ansprüche auf das weströmische Gotenreich erheben zu können.
 
Ein verwirrendes Intrigenspiel hinter den Kulissen hub an. Die Katholischen schürten zum Krieg gegen die gotischen Arianer. Die Päpste waren darin federführend involviert. Der in Konstantinopel lebende und mit Kaiser Justinian I. vertraute Vigilius sollte Papst in Rom werden. Der gotische Regent Theodahad wollte das ungern dulden. Er setzte im Juni 536 den freundlicheren Silverius durch, bevor Vigilius, die Figur des Justinian, in Rom eintraf. Kurz darauf wurde Rom vom byzantinischen Feldherrn Belisar besetzt. Theodahad, der als militärischer Anführer versagt hatte, bot in der ihm aussichtslos erscheinenden militärisch-politischen Lage an, Italien an Justinian abzutreten. Doch die empörte Masse des gotischen Volkes stürzte daraufhin Theodahad und erhob den erfahrenen Krieger Witiges (?-542) zum König. Dieser befahl des Theodahads Tod, der im Dezember 536 vom Goten Optari getötet wurde, als er sich auf der Flucht von Rom nach Ravenna befand. Ostromkaiser Justinian nutzte die Thronwirren im Ostgotenreich, um die Chance zu ergreifen, seine Macht auf das germanisch bestimmte Westrom auszudehnen. Sein Feldherr Belisar landete im Jahre 535 mit einem gut gerüsteten Heer - bestehend aus vielen Germanen und Hunnen - in Sizilien.