DIE MUSCHEL

Unter grünen Wellen-Bergen
träumt die Muschel tief am Grunde,
in den stillen Seegras-Särgen,
kennt nicht Sterne, Mond noch Stunde.

Nichts gilt ihr das rege Leben,
rings umher der Meeres-Wesen,
achtet nicht des Seetangs weben,
will nur vor sich hin genesen.

Neben ihr die Anemone,
wirft dem Seestern Blicke zu,
schmückt ihr Köpfchen mit der Krone,
Liebe achtet kein Tabu.

Drüber streicht ein dunkler Schatten,
gierig droht der Haifisch-Schlund,
jenes bösen nimmersatten
Königs auf dem Meeresgrund.

All’ die Wesen in den Tiefen,
äugen, suchen, tummeln sich,
nur der Muschel Sinne schliefen,
bis zu eines Sandkorns Stich.

Da erwachte aus dem Dämmern,
aus dem großen, langen Traum,
lieblich zart ein Pulse-Hämmern,
mütterlich im Muschel-Raum.

Und von mildem Glück durchflutet,
ahnt die Muschel ihren Sinn,
wird bewusst und froh gemutet,
fühlt ein Kindlein in sich drin.

Gern erfüllt sie ihre Pflichten,
baut an ihrem Perlen-Ball,
will ihn schön und schöner richten -;
auch im Kleinsten glänzt das All !