DÄMONEN-WEIBCHEN
 
Hört nur -, was einst mir widerfuhr,
ich war auf einer Burgen-Tour,
ritt auf dem Drahtross weite Strecken,
um alte Mauern zu entdecken.

Nach Schwaben war ich unterwegs,
war proviantiert mit Saft und Keks,
auch kraxelte ich, ohn' zu fluchen,
Mythen-Gemäuer aufzusuchen.

Um Burgen ranken sich die Sagen,
aus längst vergangnen Ritter-Tagen;
die wir als Kinder schon vernahmen,
von stolzen Herren, schönen Damen.

Da war ein Schmausen, ein Gasteien,
ein Liebeswerben, Fechten, Freien -;
um Fräuleins mussten Männer ringen,
zur Zupfgeig’ ihnen Liedlein singen.

Ich war so recht in den Gedanken,
die sich um jene Zeiten ranken,
so kam ich an den Schwarzwaldsaum,
vernarrt in meinen Ritter-Traum.

Durch Kraichgau und den Heckengäu,
trug mich mein Rösslein sehr getreu,
zur Burg-Ruine Löffelstelz,
dem Sitz der Herren von Dürrmenz.

Hoch ragt auf steilem, glatten Fels,
das Turmgemäuer des Kastells;
dort macht’ ich mich zur Abendzeit,
zum wohlverdienten Schlaf bereit.

Unruhig schlief ich ein, fürwahr,
zwar dacht’ ich nimmer an Gefahr,
vollmondig äugte es vom Himmel,
um mich herum war ein Gewimmel.

Es raschelte in manchen Ecken,
als wollten Geister mich erschrecken;
bald sah ich Fledermäuse segeln -;
fern in den Wolken war ein Kegeln.

Und schon kam das Gewitter an,
es goss was es nur gießen kann,
der Himmel wurd' so regenschwer -,
Blitzschläge fauchten rings umher.

Ich fand den schmalen Unterstand,
an einer nassen Bruchsteinwand -;
und plötzlich war ich nicht allein -,
grün schien ein Leib im Widerschein.

Ein Wesen drängte sich an mich,
ein Weib -, gar seltsam, äußerlich -;
sie bat um Schutz vor dem Gewitter:
„Ich bitte Dich, sei Du mein Ritter !“

Ich schützte sie die volle Nacht -,
hab’ Sturm und Regen laut verlacht,
schlang meinen starken Arm um sie,
und schenkt’ ihr Trost und Energie.

Sie war ein Geistchen, unerlöst,
lief nachts im Enzgau, kleidentblößt,
seit jener Mord-Gewitternacht,
die ihr als Kind den Tod gebracht’.

Französisch’ Kriegsvolk hat’s getan,
erschlug den Herren, den Kastellan,
es brannt’ und plünderte die Pfalz -,
schritt drüber hin als Todes-Walz’.

Nun hört, wie die Geschichte endet,
sie hat’ zum Guten sich gewendet -;
erlöst ein tapferer Mann Dämonen,
werden sie’s dankbar allzeit lohnen.

Mein Dämonweibchen nach der Reis’,
besuchte mich und wurde weiß -,
nur bei Gewitter hat’s Problemchen,
das blieb ihr so, sie ist ein Dämchen.
 
PS: Der Orléansscher Krieg (1688-1697), auch Pfälzischer Erbfolgekrieg oder Raubkriege geheißen, war ein französischer Angriffs- und Eroberungskrieg der die Region der Kurpfalz und große Teile Südwestdeutschlands beschädigte. Der sog. „Sonnenkönig“ (Ludwig XIV.) hatte ihn vom Zaun gebrochen. Da Frankreich keinen nennenswerten Widerstand erwartete, weil das deutsche Reich durch den Türkenangriff im Südosten gebunden war, überschritten 1688 französische Truppen den Rhein und drangen unter grauenvollen Verwüstungen in die Kurpfalz und das Rheinland ein. Über Jahre hinweg führten die Franzosen vernichtende Feldzüge, in denen zahlreiche Städte, Dörfer, Burgen und Schlösser zum Teil mehrmals in Schutt und Asche gelegt wurden -, darunter auch Pforzheim, Heidelberg und Hirsau. Schlim­me Mordtaten an der deutschen Bevölkerung wurden begangen. Auch Ort und Burg Löffelstein / Dürrmenz wurden 1692 geplündert.