„Gewöhnliche Sterbliche müssen für die Fehler selbst büßen.
Wenn Ärzte oder Richter irren, büßen die anderen.“
George Bernard Shaw
 
 
RICHTERSCHELTE ?
 
Die „Richterschelte“ ist verpönt,
so hat man es uns angewöhnt.
Das Richteramt ist souverän,
so sollen wir es streng versteh‘n.
 
Doch es stimmt was nicht im Staat,
der tausend Widersprüche hat.
Ein Richter darf Partei-Mann sein,
ist unparteiisch nur zum Schein.
 
Kein Richter ist doch objektiv,
den die Partei ins Amt berief.
Natürlich hilft er der Partei,
die macht‘ ihm die Karriere frei.
 
Drum ist Richterfreiheit Schmu,
Justitia - diese Blindekuh -
ist noch viel blinder als geglaubt,
der Unabhängigkeit beraubt.
 
So ist kein Richter objektiv,
der sanft auf dem Parteibuch schlief,
denn Parteien werden’s richten
und die Urteils-Reime dichten.
 
Ein Richter der parteilich denkt,
bleibt niemals fair und ungelenkt !
Rechtsstaat, Linksstaat, einerlei,
die Ideologie ist stets dabei !
 
So gedeiht die Unrechts-Saat,
kam‘s zu dem Gesinnungs-Staat.
Nach Gesinnung wird gerichtet,
nach Parteiproporz gewichtet.
 
19.01.2017 - Focus Online - Jens Maier - Dresdner Richter lobt NPD und Björn Höcke - jetzt drohen rechtliche Konsequenzen. - Jens Maier ist Richter am Dresdner Landgericht - und Bundestagskandidat der AfD. Bereits in der Vergangenheit hatte Maier mit seiner Sympathie für die NPD für Schlagzeilen gesorgt. Nun lobt er die Partei erneut und springt darüber hinaus seinem in die Kritik geratenen Parteikollegen Björn Höcke schützend zur Seite. - Am vergangenen Dienstag hielt der AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag, Björn Höcke, im Dresdner Ballhaus Watzke eine höchst umstrittene Rede. Seitdem ist Höcke in aller Munde. Doch er war an diesem Abend nicht der einzige Gast, der von sich reden machte.
 
Bei der Veranstaltung der Jungen Alternative, die Jugendorganisation der AfD, erklärte Richter Jens Maier, wieso viele junge Leute die NPD gewählt hätten. So sei der Erfolg der Partei damit zu begründen, dass „sie die einzige Partei war, die immer geschlossen zu Deutschland gestanden“ hätte. Vor dem Nachwuchs der AfD zeigte Maier allerdings auch die Probleme der NPD auf. So hätte ihre „Rückwärtsgewandtheit“ und „das Bemühen, die Kriegsgeneration zu rehabilitieren“ der Partei in seiner öffentlichen Wahrnehmung geschadet. Die politischen Gegner der Partei hätten so leichtes Spiel gehabt, „die Bewertung der Vergangenheit als Verherrlichung des dritten Reichs umzuinterpretieren“.
 
Bei allem Lob bezeichnete Maier die NPD deshalb gar als „nicht zukunftsfähig“. Daran anknüpfend sagte er, dass nun aber die AfD da sei. „Wir sind die neue Rechte !“ verkündete Maier. Abschließend bezog der Bundestagkandidat zur Aufarbeitung des Holocausts Stellung. Dabei pflichtete er seinem Parteikollegen Björn Höcke bei. Die Aufarbeitung der NS-Zeit bezeichnete er als einen „Schuldkult“. Diesen erklärte er nun „für endgültig beendet“. „Der Hass gegen das Eigene muss aufhören“, sagte er.
Zum Abschluss ließ Maier es sich nicht nehmen, Höcke als „meine Hoffnung“ zu bezeichnen. Zu Beginn der Rede hatte er ihn bereits als „aufrechten Patriot“ gelobt. Während auf Höcke seit seiner umstrittenen Rede von allen Seiten – selbst aus AfD-Kreisen – Kritik einprasselt, könnten auf Maier nun rechtliche Konsequenzen zukommen. So prüft das Dresdner Landgericht laut dem MDR ein Disziplinarverfahren gegen den Richter. Maier könnte möglicherweise gegen Paragraph 39 des Richtergesetzes verstoßen haben. Dieser gibt vor, dass sich ein Richter bei einer politischen Bestätigung so zu verhalten hat, dass das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.
 
[Das wäre allein dann korrekt möglich, wenn Richter nicht über/durch ihre Parteibücher in die Ämter gelangten !]
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Ein Justizopfer sagt: Vielen Dank, Herr Blüm !
 
Norbert Blüm nennt sein neues Buch „Eine Polemik“. Eigentlich ist das ein unzutreffender Untertitel. Denn Polemik bezeichnet einen meist scharfen Meinungsstreit im Rahmen politischer, literarischer oder wissenschaftlicher Diskussion. Über die Zustände und Missstände in der Justiz fehlt es jedoch an jeglicher Diskussion. Die Missstände in der Justiz werden von der Politik komplett ignoriert und verschwiegen und in der medialen Öffentlichkeit allenfalls als „Einzelfall“-Problem diskutiert. Eine grundsätzliche Diskussion über die strukturellen Missstände in der Justiz, die den Rechtsstaat in einen Unrechtsstaat kippen lassen, wird in unserem Land nicht geführt. Mangels Diskussion ist das Buch von Norbert Blüm eigentlich keine Polemik. Es ist auch nicht polemisch.
 
 
In allgemein verständlicher Sprache und nicht um deutliche Worte verlegen beschreibt Norbert Blüm die Missstände im deutschen Rechts- und Gerichtswesen. Es sind viele Missstände, die es in der deutschen Gerichtsbarkeit zu beklagen gibt. Norbert Blüm zeigt, dass es keine „Einzelfälle“ sind, die als sogenannte Justizirrtümer angeblich unvermeidbar gelegentlich auftreten. Als Nicht-Jurist hat Norbert Blüm nicht den Anspruch, alle Missstände und jedes juristisch oder rechtspolitisch unstimmige Detail in der deutschen Rechtsordnung zu Tage zu fördern. Ihm geht es darum, deutlich zu machen, wie vor Gericht um Rechtsschutz suchende Menschen von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten schikaniert, drangsaliert und entmenschlicht werden.
 
„Meine Betroffenheit, hervorgerufen durch Demütigung von Menschen, die ich gut kenne, ist größer als die Hemmung, mich an die Arbeit in einem Gebiet zu machen, in dem ich Dilettant bin. Von Justiz verstehe ich zwischen wenig und nichts. Der Dilettant ist Spezialist fürs Generelle. Vielleicht sind jetzt nicht juristische Spitzfindigkeiten gefragt, sondern eine fundamentale Nachfrage nach dem Zustand der Rechtsprechung und allem was dazugehört“ (Norbert Blüm, Einspruch!, Seite 18).
 
„Den schwersten Schock erlitt mein bis dato nahezu unerschütterlicher Glaube an das Recht durch die Erfahrungen, die mir nahestehende Personen mit der Rechtspflege machen mussten. Wehrlos sahen sie sich den Launen eines Richters und der Skrupellosigkeit eines Gegenanwalts ausgesetzt. Der Mensch, dessen Erfahrungen mir unter die Haut gingen, geriet in ein Gewirr der Willkür aus der kein Notausgang erkennbar war“ (Norbert Blüm, Einspruch!, Seite 15).
 
Wie Norbert Blüm ergeht es den meisten Bürgern. Sie haben solange ein unerschütterliches Vertrauen in die Justiz, bis sie selbst mit dieser in Kontakt geraten. Erst wenn es für sie bereits zu spät ist, wenn sie selbst betroffen sind und ein unfaires Gerichtsverfahren über sie selbst oder eine ihnen nahestehende Person hinweg rollt, wird dieses Vertrauen erschüttert. Im Falle von Norbert Blüm war diese Erschütterung so fundamental, dass der ehemalige Bundesarbeitsminister sein Dasein als Ruheständler aufgegeben hat und eine politische Debatte anstoßen will, eine Debatte über die Zustände in der deutschen Justiz. Diesen Anstoß will er mit seinem neuen Buch „Einspruch ! – Wider die Willkür an deutschen Gerichten“ geben.
 
Eine solche Debatte ist dringend notwendig. Denn Norbert Blüm fragt zu Recht: „Wie soll man einen Rechtsstaat nennen, der die berechtigten Ansprüche von wirtschaftlich Schwächeren unberücksichtigt lässt ? Unrechtsstaat ?“ (Norbert Blüm, Einspruch!, Seite 17). Es gibt in unserem Rechtssystem wahrlich viele Defizite, die es zu debattieren und zu beseitigen gilt. Norbert Blüm nennt die personellen Schwächen, wie arrogante, kaltschnäuzige Richter und skrupellose, geldgierige Anwälte, und die Kumpanei zwischen diesen. Er nennt auch die institutionellen Schwächen, z.B. eine de facto fehlende Strafbarkeit wegen Rechtsbeugung, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Gutachter von den sie beauftragenden Richtern, die mangelnde Qualifikation von Gutachtern und vieles andere mehr. Er beleuchtet viele bekannte und viele bislang unbekannte Gerichtsfälle von A wie Horst Arnold bis Z wie Klaus Zumwinkel und filtert die verbindenden Elemente von Rechtsverweigerung und Rechtsversagen heraus.
 
Norbert Blüm betreibt in seinem Buch keine Richterschelte und kein Anwalts-Bashing. Er fällt auch kein Pauschalurteil. Ihm geht es nicht darum, die eine oder andere Berufsgruppe zum Sündenbock für die Missstände in unserem Rechtssystem zu machen, sondern darum die Missstände beim Namen zu nennen.
 
„Die Behauptung besteht zu Recht: Kollektivurteile sind immer falsch. Es gibt viele anständige Anwälte und ehrenwerte Richter. Aber wenn die ‚Einzelfälle‘ der Fehlleistungen sich zur Vielzahl summieren, bestimmen sie einen Trend. Mein Erlebnis der Willkür erschien mir lange Zeit als singulär; doch entdeckte ich bald zu meiner Überraschung, dass es viele ähnlich gelagerte ’singuläre‘ Fälle gibt“ (Norbert Blüm, Einspruch!, Seite 16).
 
„So ist das mit den ‚Einzelfällen‘ im Familienrecht: Du ziehst an einem und prompt entspinnt sich vor deinen Augen ein ganzes System der Willkür und Arroganz“ (Norbert Blüm, Einspruch!, Seite 15).
 
Am Beispiel der Rechtsanwaltschaft und am Beispiel des Ehe- und Familienrechtes zeigt Norbert Blüm, dass eine gesetzliche Rechtsordnung immer auch eine gesellschaftliche Werteordnung als Grundlage benötigt. Er kritisiert, dass die Anwaltschaft nicht mehr in der Lage ist, sich über ihre Rechtsanwaltskammern eine gemeinsame Werteordnung für ihre Berufsausübung zu geben, nämlich eine gemeinsame und verbindliche Berufsethik. Am Beispiel des Ehe- und Familienrechtes gibt er zu bedenken, dass die Rechtsprechung nicht die in der Verfassung normierte Werteordnung auf dem Altar des Zeitgeistes opfern und sich nicht zum heimlichen Gesetzgeber aufschwingen sollte.
 
Jeder, der noch dem von Norbert Blüm ad acta gelegten „Kinderglauben“ an den (vorbildlichen) Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland anhängt, wird durch Norbert Blüms „Einspruch!“ eines Besseren belehrt. Denn, wer die „Jagdszenen“ in Norbert Blüms Buch gelesen hat, wird zwangsläufig an die Worte von Charles Dickens im Roman „Bleak House“ erinnert:
 
Das ist das Kanzleigericht, das Häuser hat verfallen machen und Äcker verwüstet in jeder Grafschaft, seine lebensmüden Wahnsinnigen hat in jedem Irrenhaus und seine Toten auf jedem Kirchhof, das seine Prozessierenden aussaugt, bis sie mit niedergetretenen Absätzen und abgeschabtem Rock bei allen, deren Bekanntschaft sie machen, reihum borgen und betteln gehen; das Kanzleigericht, das dem Reichen Mittel an die Hand gibt, das Recht müde zu hetzen. Das Geld, Geduld, Mut, Hoffnung so erschöpft, Köpfe verwirrt und Herzen bricht, dass kein Advokat, so er ehrenwert ist, anstehen wird zu warnen: ›Lieber jedes Unrecht leiden als hierherkommen.‹“ (Charles Dickens, Bleak House, erschienen 1852 – 1853, übersetzt von Gustav Meyrink).
 
Das Buch von Norbert Blüm ist kein Roman, keine Fiktion und es ist alles andere als eine bloße Polemik. Es ist eine schallende Ohrfeige für diejenigen, die es besser machen könnten und trotzdem so weiter machen, für diejenigen, die es besser wissen müssen und trotzdem nichts ändern, und diejenigen, die es besser wissen könnten und trotzdem nicht hinsehen.
 
Wer Norbert Blüms „Einspruch!“ gelesen hat, der muss erschrocken darüber sein, wie wenig von dem Rechtsstaat übrig geblieben ist, den uns das Grundgesetz verspricht, und muss erschrocken sein, wie wenig sich seit biblischen Zeiten geändert hat.
 
Nehmt euch in acht vor den Gesetzeslehrern! Sie zeigen sich gern in ihren Talaren und lassen sich auf der Straße respektvoll grüßen. Beim Gottesdienst sitzen sie in der ersten Reihe, und bei Feierlichkeiten nehmen sie die Ehrenplätze ein. Sie sprechen lange Gebete, um einen guten Eindruck zu machen; in Wahrheit aber sind sie Betrüger, die hilflose Witwen um ihren Besitz bringen. “ (Markus Evangelium, 12, 38-40, zitiert nach: Die Gute Nachricht – Das Neue Testament in heutigem Deutsch, Bibelanstalt Stuttgart, 3. Aufl., 1971).
 
 
Gesetzeslehrer waren in biblischen Zeiten die ausgebildeten und ordinierten jüdischen Theologen, deren Aufgabe das Studium und die Auslegung der Gesetze, d.h. der fünf Bücher des Moses war. Da die fünf Bücher des Moses auch für das bürgerliche Leben maßgebend waren, wurden die Theologen zugleich Juristen (nach: Die Gute Nachricht – Das Neue Testament in heutigem Deutsch, Bibelanstalt Stuttgart, 3. Aufl., 1971, S. 599.).
 
Wäre Norbert Blüm ein Jurist, wäre sein Buch "Einspruch!" höchstwahrscheinlich nicht entstanden, aber zumindest nicht so, wie es der Leser nun in den Händen hält. Zum Glück ist Norbert Blüm kein Jurist. Denn sein Buch ist mehr als nur ein Einspruch. Es ist eine 254 Seiten umfassende Anklageschrift gegen all jene, die die Errungenschaften des Rechtsstaates, z.B. Gleichheit vor dem Gesetz und Fairness vor Gericht, leichtfertig aufs Spiel setzen. Das Urteil fällt der Leser. Mein Urteil steht fest. Norbert Blüm hat Recht. Er hat mit seinem Buch eine gute Arbeit geleistet – in einem Gebiet, in dem er alles andere als ein „Dilettant“ ist, im Gegensatz zu vielen anderen, die sich berufsmäßig schreibend oder handelnd in diesem Gebiet bewegen.
 
„Vielen Dank dafür, Herr Blüm“, sagt eines der vielen Justizopfer,
 
Gisela Müller.
 
 
(Justizopfer, erfolgreiche Beschwerdeführerin vor dem EuGMR, danach – wohl deshalb – wieder Justizopfer)