Copyright Gerhard Hess / März/April 2021
 
 
Abb. 1 - 6.000-jähriges heiliges Thraker-Grab und zum Vergleich, das heilige Grab vom Agisterstein-Externstein im Teutoburger Wald, welches, entgegen der ideologisch bestimmten Auffassung kirchlicher Autoren, als „Grab Christie“, ein mittelalterlicher Bau sein soll, was aber schon wegen seiner archachischen, asymmetrischen Formgebung ziemlich unmöglich ist, denn im Mittelalter hat man exaktere Rundbögen meißeln können, wie es die vielen Kirchen-Tympana ausweisen
 
Thraker-Sonnenheiligtum - Das Grab des Orpheus (Südbulgarien)
 
Der Historiker Herodot (490 bis 425 v.0) schrieb: „Die Thraker sind nach den Indern das größte Volk auf Erden.“ Und: „Wenn sie ein Oberhaupt hätten oder einig wären, so wären sie unüberwindlich und meiner Meinung nach auch das mächtigste Volk. Aber das bringen sie nicht fertig.“ Waren Germanen und Deutsche darin nicht ganz ähnlich ?! Trotzdem sind von beiden Völkern gewaltige Leistungen der unterschiedlichsten Künste erbracht worden. Auf dem berühmten steinzeitlichen thrakischen Bergheiligtum Perperikon, im südbulgarischen Rhodopen-Gebrige, gibt es einen wuchtigen Felsblock in den das hineingearbeitet wurde, was man als ein halbzertrümmertes Akosol-Nieschengrab zu erkennen glaubt, ähnlich dem vom deutschen Agisterstein-Externstein. In Vollendung erhalten ist ein solches aber im wohl erhabensten der megalithischen Denkmäler überhaupt, in dem aus zahlreichen Felstreppen und Felsnischen bestehenden thrakische Heiligtum in der Nähe des Dorfes Tatul, ebenfalls im heutigen Südbulgarien, nahe der Gemeinde Momchilgrad. Das eigentliche Heiligtum zeigt sich als ein auf Nordwest-Südost ausgerichteter quadratischer Gesteinsklotz auf einer Felsenkupppe, von der aus ein weiter Blick ins umliegende Land genossen wird. Zwei parallele Sargophage sind hier anzutreffen, beiden fehlt die Abdeckplatte. Der oberste ist als ein offenes, nicht überdachtes, konisch gestaltetes Felsengrab eingetieft. Darunter liegt die rundbogigen Grablege, in der ein dort Liegender nach Nordwest (ca. 300°) schauen würde, denn rechtsseitig ist eine Einnieschung für den Kopf zu erkennen. Das obere Grab weist, durch seine konische Struktur, in die entgegengesetzte Richtung (ca. 120°). Es wird angenommen, die beiden Gipfelgräber könnten den beiden bedeutendsten Thrakern zugerechnet werden, nämlich Orpheus, dem vergöttlichten Heilbringer und Künder der Seelenwanderungslehre, sowie dem König Rezos, welcher dem Herkommen zufolge im südlichen Teil des Rhodopengebirges regierte und am Trojanischen Krieg auf Seiten der hethitischen Trojaner teilnahm. Der Komplex existiert seit Ende des 5., Anfang 4. Jahrtausends v.0, davon zeugen die im Umfeld gefundenen Tongefäße. Die Felspyramide und die Gruft in ihrer Nähe, wurden im 18.-11. Jahrhundert v.0 aufgebaut. Zu dieser Zeit erlebte das Heiligtum seinen ersten großen Frühling. Ringsum existierte ein Kreis aus Tonaltären, wo Opfergaben dargeboten wurden. Hunderte von Kultgegenstände wurden geborgen, Gegenstände aus Ton und Bronze z.B. Abbildungen des Sonnengottes, Teil einer goldenen Maske, drei Tonräder für Modelle von einem Himmelswagen, die sich auf den Kult um die Sonne beziehen. In dem Felsengrab wurde die Wurzel eines Weinstocks gefunden, deren Alter auf 3.000 Jahre bestimmt werden konnte. Es ist zu vermuten, dass hier einst ein berühmter Thraker-Herrscher bestattet wurde und nach seinem Tod göttliche Verehrung erhielt. Für gewöhnlich wurden die vornehmen Toten der Thraker und Germanen in einem Hügelgrab beigesetzt, Berggipfelbegräbnisse bzw. Steinblockgräber, wie das von Tatul und dem Agisterstein, sind ganz außerordentliche Bauten. Die vor ca. 4.000 v.0 entstandene Anlage ist älter als die ägyptischen Pyramiden, die etwa 2.500 v.0 erbaut wurden. Tatul umfasst ein urgläubiges Felsheiligtum sowie mittelalterliche Festungsreste. Freigelegt wurde eine sehr schöne 10 cm hohe Orpheus-Statuette aus der Römerzeit, die den mythischen Sänger des Ewigen Lebens in aufrechter Haltung verkörpert. Seine linke Hand stützt sich auf eine Lyra, in seiner Rechten hält er ein Zupfplättchen. Auf einer gefundenen röm. Münze ist Orpheus umgeben von Waldgetier abgebildet, eine andere zeigt ihn hoch auf einem Fels. Auf einer dritten ist eine Maid dargestellt, die die Königin Rodopa verkörpert. In ihrer Hand hält sie eine einzigartige einheimische Blume, eine „Haberlea rhodopensis“, die die außergewöhnliche Eigenschaft besitzt, 31 Monate im Scheintod zu verharren, um dann unter geeigneten Bedingungen zu neuem Leben zu erwachen. Der Legende nach soll sie aus dem Blut des Orpheus entsprossen sein. So wie die vielen schon stein- und bronzezeitlichen Ringheiligtümer und der Agisterstein in Deutschland, war auch Tatul eine Sonnenbeobachtungsstätte. Von den hervorragenden astronomischen Kenntnissen der Thraker zeugen die archäoastronomische Untersuchungen des Felsheiligtums. Es wurden zwei Terrassen mit mehreren amphitheatralischen Halbkreisen in den Felsen gehauen, die offensichtlich der Bestimmung des Jahreskreislaufs und der Frühjahrs- und Herbstsonnenwende dienten. Im 13.-12. Jh. v.0 wurde das Heiligtum durch Erdbeben beschädigt. Während der Antike wurde eine massige Steinmauer aus rießigen Blöcken mit der Form eines Parallelepipeds aufgebaut. Während der ersten Jahre nach Ztr. wurde in der Region des Heiligtums erneute Bauaktivität registriert. Das erneute Heiligtum existiert bis zu den Fünfzigern - Sechzigern des 1. Jahrhunderts. Es wird vermutet, dass der hellenistische Tempel und die Gebäude in seiner Nähe schließlich zur Römerzeit in ein befestigtes Landhaus umgebaut wurden. Im Landhaus residierte wohl ein einheimischer Aristokrat. Schon vor der Völkerwanderung, in den Jahren 250-51, drangen Skythen und Goten in den Nordbalkan ein, also nach Moesien und Thracien und das Rhodopen-Gebirge. Ab 257 durchfuhren Goten erstmals den Bosporus und nahmen kleinasiatische Städte ein. Im Frühjahr 268 befanden sich Kriegerscharen der Goten und Heruler auf ihrem Weg nach Makedonien und eine große gotisch-herulische Armada, im Verband mit starken Landstreitkräften, zog gegen Byzanz. Im Verlaufe dieser kriegerischen Turbulenzen wurde das Landgut offenbar in den Jahren 267-269 n.0 niedergebrannt. Nicht uninteressant ist auch ein Blick auf die südwestbulgarische Stadt Saparewa Banja, die in der Antike Germania hieß, mit ältester Schreibweise „Germanea“. So soll die Stätte schon von den Thrakern benannt worden sein. Das Sinnbild von Sapareva banya ist der Geysir, eine Springquelle, die sich in Stadtmitte befindet. Nach der unbelegbaren Meinung einiger Leute könnte deshalb das Wort Germanea in der thrakischen Sprache „Heißwasser” bedeuten. Daraus ergibt sich die vage Annahmen, dass der thrakische Gott der Wärme Germanea hieß. Viel naheliegender wäre die Deutung, dass sich hier schon während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung germ. Siedler aus dem Norden niederließen, wie es in Frühzeiten ebenso geschehen sein mag. Germanea wurde im 3. Jh. zu einem der wichtigsten Zentren der röm. Provinz „Inneres Dacia“.
 
Abb. b 1           
Abb b 2
 

 
 
Der Tatul-Komplex als Google-Weltkarten-Luftaufnahme im ca. gleichalten Ringheiligtum-Grundriss und Luftaufnahme von Ringheiligtum-Goseck (Durchmesser 71 m). Das Tatul-Arkosolium ist auf ca. Untergangspunkt der WSW (tiefster Sonnenstand) ausgerichtet.
 
 
 
 
Abb. c - Grafik vom Tatul-Grabmal nach Luftaufnahme im Gesichtsfeldsonnenkreis der Azimut-Gradeinteilung. Der Gesichtskreismittelpunkt wurde von mir leicht links vor dem Arkosol-Sarkophag gewählt, damit man seine Ausrichtung auf die Azimute ca. 120°:300° N erkennen kann. - Es unterscheiden sich die geographischen Koordinaten der Sonnen-Ringheiligtümern z.B. Goseck und Stongehenge, welche auf etwa 51° nördlicher Breite liegen, vom Sonnen-Bergheiligtum Tatul, das auf ca. 41° liegt. Zum exakten Vergleich: Südisland = 63,6° -Hamburg = 53,33° - Berlin 52,31° - Magdeburg = 52,8° - Möthlow = 52,36° -Goseck = 51,12° - Stonehenge = 51,10° - Agister-Externsteine = 51,8° -München = 48,8° - Zentralschweiz = 47° - Ravenna = 44,24° - Rom =41,53° -Tatul = 41,33° - Mallorca = 39,5° - Athen =37,49°. Also verschieben sich die Malkreuzwinkel der Schemata der Gesichtskreissonnenjahre in den verschiedenen Breitengradregionen, also der Sonnenweghorizontfelder der möglichen Sonnenaufgänge im Osten und der entsprechenden Sonnenuntergänge im Westen. (Da die Pendelbögen des Sonnenaufgangs im Osten und des Untergangs im Westen nahezu gleich groß sind, ist die Beobachtung des östlichen Pendelbogens ausreichend.) DieseSonnenweghorizontfelder waren auf der Mittelberg-Himmelsscheibeals goldene Horizontbögen auf rechtem und linkem Scheibenrand angebracht.Daraus konnte der ideale bzw. urspüngliche Standort der Mittelberg-Himmelsscheibe mit ca. 52,3° berechnet werden, was auf etwas nördlich des Raumes Magdeburg - möglicherweise auf Möthlow im Havelland - mit seinen beiden kleineren Ringheiligtümern - zutrifft. Der Pendelwinkel des Horizontbogens betrug 2000 v. Ztr. auf dem 47. Breitengrad (Zentralschweiz) ca. 73°. Dann müsste er auf dem ca. 41. Breitengrad von Tatul ca. 65° betragen haben. Trotzdem sieht der faktische Einrichtungswinkel des „Orpheusgrabes“, wie er anhand der Luftaufnahme zu sehen ist, größer aus, nämlich um 90°. Natürlich würde eine Einmessung vor Ort am Heiligtum Tatul die Fragen klären können, aber eine Reise dorthin ist mir bisher versagt geblieben. Fest steht jedoch, dass die beiden Gräber auf der Spitze des Tatul-Heiligtums - grob visuel - 1.) nach dem Sonnenaufgangsraum des tiefsten Sonnenstandes ausgerichtet ist (WSW) und 2.) nach dem höchsten Sonnenuntergangsord (SSW).
 
Tatul (bulgarisch: Татул), 14 km östlich von Momtschilgrad, liegt auf der Breite 41,55354° N, ebenso wie etwa die Hauptstädte Rom, Barcelona und Porto. Es ist auf dem google-Satelitenbild etwas unscharf zu orten, wodurch wir trotzdem in die Lage versetzt werden, seine Gebäudeausrichtungen zu bestimmen. Majestätisch auf dem Gipfel ruhend, inmitten bewaldeter Hügellandschaft, ragt ein ca. 6 m hoher Felsquader empor. Der Arkosol-Grabbogen schaut nach Südwesten, also etwa zum Untergangspunkt der Wintersonnenwende, dem in Form von einer Vielzahl von Stieropfern, deren Gehörne man fand, im mittelneolithischen Sonnenringheiligtum Goseck (Sachsen-Anhalt) die meiste Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Errichtet wurde es vor etwa 6.900 Jahren. Dem Sonnenuntergangsraum im Südwesten schenkten die alten priesterlichen Himmelsweisen also eine erhöhte Beachtung, in Mitteldeutschland wie im Nordbalkangebiet. Denn der siechen, schwachen Wintersonne sollte auf ihrem Abwärtsgang in die westlichen Totengefilde frische Opferblutkraft zugeführt werden, damit sie ihre Auferstehung erleben könne. Die welterobernden Makedonier übernahmen die sog. phrygische Mütze und auch den ähnlich geformten phrygischen Helm von den Thrakern. Diese Mützenart scheint ursprünglich bei Phrygern und anderen indogerm. anatolischen Völkern aufgekommen zu sein und bestand aus einem gegerbten Stier-Hodensack samt der umliegenden Fellpartie. Nach der antiken Vorstellung sollte ein solches Kleidungsstück die besonderen Fähigkeiten des Tieres auf seinen Träger übertragen, galt doch der Stier als die Verkörperung besonderer Stärke, vor allem der Zeugungskraft, und spielte eine wichtige Rolle in den Kulten von skandinavischen (siehe Felsritzbilder) bis vorderasiatischen Gemeinschaften. Mythologische Gestalten, die oft eine phrygische Mütze tragen, sind: Orpheus, Adonis, Ganymed, Paris, der pers. Gott Mitra, röm. Mithras, der phrygische Attis, Fruchtbarkeitsgott Sabazios, die phrygische Mondgottheit Men und der röm. Soldatengott Iupiter Dolichenus. Im Mithraskult war es den Mysten erlaubt, die phrygische Kopfbedeckung zu tragen, nachdem sie das „primordiale (ursprüngliche) Stieropfer“ des Gottes nachvollzogen hatten, welches die Erneuerung des Lebens in der erhofften Wiedergeburt der Gläubigen bedeutete. In diesen uralten Glaubensformen wurde, wir wir sehen, das große kosmische Geschehen auf den einzelnen Gläubigen übertragen.   
 
Zum Bergheiligtum von Tatul führen acht steinerne Treppen empor. Auf der Gipfelkuppel ist ein leicht konisches Grab von 1,70 m Länge in den Fels gehauen, dessen Kopfteil im Nordwesten (ca. 300°) liegt, mit Blick des Toten nach Südosten. Ein Abflussloch in der Mitte des oberen Sargophags findet seinen Ablauf hinter der Akrosolwölbungsschale des vorderen Grabes, möglicherweise, um das sich in der Grabwanne sammelnde Regenwasser abzulassen; andere Betrachter denken dabei an eine Opferblutrinne. Einen Opferstier wird man kaum dort hinauf transportiert haben, obschon eine dortige Plattform für gewisse Riten ausreichend Platz anbieten könnte. In den Stein gemeißelte Treppenstufen führen zur „Opferplatte“ hinauf. Handelt es sich beim oberen Grab tatsächlich um das „Grab des Orpheus“, dann schaute ein Darinliegender jedenfalls nach Südosten, zum Aufgangsort der kraftarmen Wintersonne. Unterhalb des Gipfelgrabes, von der zu den Füßen hin schmaler werdenden Form, wie man sie als angebliche Christengräber, zumindest vom 7. bis 12. Jahrhundert, in Menge findet, liegt das attraktive Rundbogengrab. Es gleicht dem Rundbogengrab des deutschen Agisterteins sogar darin, dass beide Kopfnischen, wenn auch von unterschiedlicher Form, auf der rechten Seite zu finden sind. Einige Erkenntnisse dürfen als sicher gelten, nämlich: 1.) Die Fels-Sargophage sind keine mittelalterlich-christliche Erfindung. Sie könnten sogar von den Goten in Tatul gedanklich aufgegriffen und von ihnen nach Spanien als Idealkonzept mitgebracht worden sein, wo wir viele undatierbare finden, aber auch nachweislich solche in westgotischen Gräberfeldern. 2.) Das steinzeitliche Rundbogengrab von Tatul beweist das Alter des Rundbogengrab-Typus, so dass auch das Rundbogengrab des Agistersteins durchaus steinzeitlichen Datums sein könnte.